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    <title>Hyperion</title>
    <subtitle>oder der Eremit in Griechenland</subtitle>
    <subtitle>Text nach der Stuttgarter Ausgabe</subtitle>
    <author>Friedrich H&#x00F6;lderlin</author>
    <type>Roman</type>
  </meta>
  <content>
    <volume number="1">
      <title>Erster Band</title>
      <slogan>
        <text>
          <par>
Non coerceri maximo, contineri minimo, divinum est.</par>
        </text>
      </slogan>
      <preface>
        <title>Vorrede</title>
        <text>
          <par>
Ich verspr&#x00E4;che gerne diesem Buche die Liebe der Deutschen. Aber
ich f&#x00FC;rchte, die einen werden es lesen, wie ein Compendium, und
um das fabula docet sich zu sehr bek&#x00FC;mmern, inde&#x00DF; die
andern gar zu leicht es nehmen, und beede Theile verstehen es nicht.</par>
<par>
Wer blos an meiner Pflanze riecht, der kennt sie nicht, und wer sie
pfl&#x00FC;kt, blos, um daran zu lernen, kennt sie auch nicht.</par>
<par>
Die Aufl&#x00F6;sung der Dissonanzen in einem gewissen Karakter ist
weder f&#x00FC;r das blo&#x00DF;e Nachdenken, noch f&#x00FC;r die
leere Lust.</par>
<par>
Der Schauplaz, wo sich das Folgende zutrug, ist nicht neu, und ich
gestehe, da&#x00DF; ich einmal kindisch genug war, in dieser
R&#x00FC;ksicht eine Ver&#x00E4;nderung mit dem Buche zu versuchen,
aber ich &#x00FC;berzeugte mich, da&#x00DF; er der einzig Angemessene
f&#x00FC;r Hyperions elegischen Karakter w&#x00E4;re, und
sch&#x00E4;mte mich,da&#x00DF; mich das wahrscheinliche Urtheil des
Publikums so &#x00FC;bertrieben geschmeidig gemacht.</par>
<par>
Ich bedaure, da&#x00DF; f&#x00FC;r jezt die Beurtheilung des Plans
noch nicht jedem m&#x00F6;glich ist. Aber der zweite Band soll so
schnell, wie m&#x00F6;glich, folgen.</par>
        </text>
      </preface>
      <part number="1">
        <title>Erstes Buch</title>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Der liebe Vaterlandsboden giebt mir wieder Freude und Laid.</par>
            <par>
Ich bin jezt alle Morgen auf den H&#x00F6;hn des Korinthischen
Isthmus, und, wie die Biene unter Blumen, fliegt meine Seele oft hin
und her zwischen den Meeren, die zur Rechten und zur Linken meinen
gl&#x00FC;henden Bergen die F&#x00FC;&#x00DF;e k&#x00FC;hlen.</par>
            <par>
Besonders der Eine der beeden Meerbusen h&#x00E4;tte mich freuen
sollen, w&#x00E4;r' ich ein Jahrtausend fr&#x00FC;her hier gestanden.</par>
            <par>
Wie ein siegender Halbgott, wallte da zwischen der herrlichen
Wildni&#x00DF; des Helikon und Parna&#x00DF;, wo das Morgenroth um
hundert &#x00FC;berschneite Gipfel spielt, und zwischen der
paradiesischen Ebene von Sicyon der gl&#x00E4;nzende Meerbusen herein,
gegen die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth, und
sch&#x00FC;ttete den erbeuteten Reichtum aller Zonen vor seiner
Lieblingin aus.</par>
            <par>
Aber was soll mir das? Das Geschrei des Jakals, der unter den
Steinhaufen des Altertums sein wildes Grablied singt, schr&#x00F6;kt
ja aus meinen Tr&#x00E4;umen mich auf.</par>
            <par>
Wohl dem Manne, dem ein bl&#x00FC;hend Vaterland das Herz erfreut und
st&#x00E4;rkt! Mir ist, als w&#x00FC;rd' ich in den Sumpf geworfen,
als schl&#x00FC;ge man den Sargdekel &#x00FC;ber mir zu, wenn einer an
das meinige mich mahnt, und wenn mich einer einen Griechen nennt, so
wird mir immer, als schn&#x00FC;rt' er mit dem Halsband eines Hundes
mir die Kehle zu.</par>
            <par>
Und siehe, mein Bellarmin! wenn manchmal mir so ein Wort entfuhr, wohl
auch im Zorne mir eine Thr&#x00E4;ne in's Auge trat, so kamen dann die
weisen Herren, die unter euch Deutschen so gerne spuken, die Elenden,
denen ein leidend Gem&#x00FC;th so gerade recht ist, ihre
Spr&#x00FC;che anzubringen, die thaten dann sich g&#x00FC;tlich,
lie&#x00DF;en sich beigehn, mir zu sagen: klage nicht, handle!</par>
            <par>
O h&#x00E4;tt' ich doch nie gehandelt! um wie manche Hoffnung
w&#x00E4;r' ich reicher! -</par>
            <par>
Ja, vergi&#x00DF; nur, da&#x00DF; es Menschen giebt, darbendes,
angefochtenes, tausendfach ge&#x00E4;rgertes Herz! und kehre wieder
dahin, wo du ausgiengst, in die Arme der Natur, der wandellosen,
stillen und sch&#x00F6;nen.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Ich habe nichts, wovon ich sagen m&#x00F6;chte, es sey mein
eigen.</par>
            <par>
Fern und todt sind meine Geliebten, und ich vernehme durch keine
Stimme von ihnen nichts mehr.</par>
            <par>
Mein Gesch&#x00E4;ft auf Erden ist aus. Ich bin voll Willens an die
Arbeit gegangen, habe geblutet dar&#x00FC;ber, und die Welt um keinen
Pfenning reicher gemacht.</par>
            <par>
Ruhmlos und einsam kehr' ich zur&#x00FC;k und wandre durch mein
Vaterland, das, wie ein Todtengarten, weit umher liegt, und mich er-
wartet vieleicht das Messer des J&#x00E4;gers, der uns Griechen, wie
das Wild des Waldes, sich zur Lust h&#x00E4;lt.</par>
            <par>
Aber du scheinst noch, Sonne des Himmels! Du gr&#x00FC;nst noch,
heilige Erde! Noch rauschen die Str&#x00F6;me in's Meer, und schattige
B&#x00E4;ume s&#x00E4;useln im Mittag. Der Wonnegesang des
Fr&#x00FC;hlings singt meine sterblichen Gedanken in Schlaf. Die
F&#x00FC;lle der alllebendigen Welt ern&#x00E4;hrt und s&#x00E4;ttiget
mit Trunkenheit mein darbend Wesen.</par>
            <par>
O seelige Natur! Ich wei&#x00DF; nicht, wie mir geschiehet, wenn ich
mein Auge erhebe vor deiner Sch&#x00F6;ne, aber alle Lust des Himmels
ist in den Thr&#x00E4;nen, die ich weine vor dir, der Geliebte vor der
Geliebten.</par>
            <par>
Mein ganzes Wesen verstummt und lauscht, wenn die zarte Welle der Luft
mir um die Brust spielt. Verloren in's weite Blau, blik' ich oft
hinauf an den Aether und hinein in's heilige Meer, und mir ist, als
&#x00F6;ffnet' ein verwandter Geist mir die Arme, als l&#x00F6;ste der
Schmerz der Einsamkeit sich auf in's Leben der Gottheit.</par>
            <par>
Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der
Himmel des Menschen.</par>
            <par>
Eines zu seyn mit Allem, was lebt, in seeliger Selbstvergessenheit
wiederzukehren in's All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und
Freuden, das ist die heilige Bergesh&#x00F6;he, der Ort der ewigen
Ruhe, wo der Mittag seine Schw&#x00FC;le und der Donner seine Stimme
verliert und das kochende Meer der Wooge des Kornfelds gleicht.</par>
            <par>
Eines zu seyn mit Allem, was lebt! Mit diesem Worte legt die Tugend
den z&#x00FC;rnenden Harnisch, der Geist des Menschen den Zepter weg,
und alle Gedanken schwinden vor dem Bilde der ewigeinigen Welt, wie
die Regeln des ringenden K&#x00FC;nstlers vor seiner Urania, und das
eherne Schiksaal entsagt der Herrschaft, und aus dem Bunde der Wesen
schwindet der Tod, und Unzertrennlichkeit und ewige Jugend beseeliget,
versch&#x00F6;nert die Welt.</par>
            <par>
Auf dieser H&#x00F6;he steh' ich oft, mein Bellarmin! Aber ein Moment
des Besinnens wirft mich herab. Ich denke nach und finde mich, wie ich
zuvor war, allein, mit allen Schmerzen der Sterblichkeit, und meines
Herzens Asyl, die ewigeinige Welt, ist hin; die Natur
verschlie&#x00DF;t die Arme, und ich stehe, wie ein Fremdling, vor
ihr, und verstehe sie nicht.</par>
            <par>
Ach! w&#x00E4;r' ich nie in eure Schulen gegangen. Die Wissenschaft,
der ich in den Schacht hinunter folgte, von der ich, jugendlich
th&#x00F6;richt, die Best&#x00E4;tigung meiner reinen Freude
erwartete, die hat mir alles verdorben.</par>
            <par>
Ich bin bei euch so recht vern&#x00FC;nftig geworden, habe
gr&#x00FC;ndlich mich unterscheiden gelernt von dem, was mich umgiebt,
bin nun vereinzelt in der sch&#x00F6;nen Welt, bin so ausgeworfen aus
dem Garten der Natur, wo ich wuchs und bl&#x00FC;hte, und vertrokne an
der Mittagssonne.</par>
            <par>
O ein Gott ist der Mensch, wenn er tr&#x00E4;umt, ein Bettler, wenn er
nachdenkt, und wenn die Begeisterung hin ist, steht er da, wie ein
misrathener Sohn, den der Vater aus dem Hause stie&#x00DF;, und
betrachtet die &#x00E4;rmlichen Pfennige, die ihm das Mitleid auf den
Weg gab.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Ich danke dir, da&#x00DF; du mich bittest, dir von mir zu
erz&#x00E4;hlen, da&#x00DF; du die vorigen Zeiten mir in's
Ged&#x00E4;chtni&#x00DF; bringst.</par>
            <par>
Das trieb mich auch nach Griechenland zur&#x00FC;k, da&#x00DF; ich den
Spielen meiner Jugend n&#x00E4;her leben wollte.</par>
            <par>
Wie der Arbeiter in den erquikenden Schlaf, sinkt oft mein
angefochtenes Wesen in die Arme der unschuldigen Vergangenheit.</par>
            <par>
Ruhe der Kindheit! himmlische Ruhe! wie oft steh' ich stille vor dir
in liebender Betrachtung, und m&#x00F6;chte dich denken! Aber wir
haben ja nur Begriffe von dem, was einmal schlecht gewesen und wieder
gut gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe.</par>
            <par>
Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgiebt,
nichts wu&#x00DF;te, war ich da nicht mehr, als jezt, nach all den
M&#x00FC;hen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?</par>
            <par>
Ja! ein g&#x00F6;ttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die
Cham&#x00E4;leonsfarbe der Menschen getaucht ist.</par>
            <par>
Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so sch&#x00F6;n.</par>
            <par>
Der Zwang des Gesezes und des Schiksaals betastet es nicht; im Kind'
ist Freiheit allein.</par>
            <par>
In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen.
Reichtum ist in ihm; es kennt sein Herz, die D&#x00FC;rftigkeit des
Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es wei&#x00DF; vom Tode nichts.</par>
            <par>
Aber das k&#x00F6;nnen die Menschen nicht leiden. Das G&#x00F6;ttliche
mu&#x00DF; werden, wie ihrer einer, mu&#x00DF; erfahren, da&#x00DF;
sie auch da sind, und eh' es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so
schmeicheln und schleppen die Menschen es heraus, auf das Feld des
Fluchs, da&#x00DF; es, wie sie, im Schwei&#x00DF;e des Angesichts sich
abarbeite.</par>
            <par>
Aber sch&#x00F6;n ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur
Unzeit uns nicht wekt.</par>
            <par>
O es sind heilige Tage, wo unser Herz zum erstenmale die Schwingen
&#x00FC;bt, wo wir, voll schnellen feurigen Wachstums, dastehn in der
herrlichen Welt, wie die junge Pflanze, wenn sie der Morgensonne sich
aufschlie&#x00DF;t, und die kleinen Arme dem unendlichen Himmel
entgegenstrekt.</par>
            <par>
Wie es mich umhertrieb an den Bergen und am Meeresufer! ach wie ich
oft da sa&#x00DF; mit klopfendem Herzen, auf den H&#x00F6;hen von
Tina, und den Falken und Kranichen nachsah, und den k&#x00FC;hnen
fr&#x00F6;hlichen Schiffen, wenn sie hinunterschwanden am Horizont! 
Dort hinunter!  dacht' ich, dort wanderst du auch einmal hinunter, und
mir war, wie einem Schmachtenden, der in's k&#x00FC;hlende Bad sich
st&#x00FC;rzt und die sch&#x00E4;umenden Wasser &#x00FC;ber die Stirne
sich sch&#x00FC;ttet.</par>
            <par>
Seufzend kehrt' ich dann nach meinem Hause wieder um. Wenn nur die
Sch&#x00FC;lerjahre erst vor&#x00FC;ber w&#x00E4;ren, dacht' ich
oft.</par>
            <par>
Guter Junge! sie sind noch lange nicht vor&#x00FC;ber.</par>
            <par>
Da&#x00DF; der Mensch in seiner Jugend das Ziel so nahe glaubt! Es ist
die sch&#x00F6;nste aller T&#x00E4;uschungen, womit die Natur der
Schwachheit unsers Wesens aufhilft.</par>
            <par>
Und wenn ich oft dalag unter den Blumen und am z&#x00E4;rtlichen
Fr&#x00FC;hlingslichte mich sonnte, und hinaufsah in's heitre Blau,
das die warme Erde umfieng, wenn ich unter den Ulmen und Weiden, im
Schoose des Berges sa&#x00DF;, nach einem erquikenden Regen, wenn die
Zweige noch bebten von den Ber&#x00FC;hrungen des Himmels, und
&#x00FC;ber dem tr&#x00F6;pfelnden Walde sich goldne Wolken bewegten,
oder wenn der Abendstern voll friedlichen Geistes heraufkam mit den
alten J&#x00FC;nglingen, den &#x00FC;brigen Helden des Himmels, und
ich so sah, wie das Leben in ihnen in ewiger m&#x00FC;heloser Ordnung
durch den Aether sich fortbewegte, und die Ruhe der Welt mich umgab
und erfreute, da&#x00DF; ich aufmerkte und lauschte, ohne zu wissen,
wie mir geschah ? hast du mich lieb, guter Vater im Himmel! fragt' ich
dann leise, und f&#x00FC;hlte seine Antwort so sicher und seelig am
Herzen.</par> <par id="par-Oduzudemichrief">O du, zu dem ich rief,
als w&#x00E4;rst du &#x00FC;ber den Sternen, den ich Sch&#x00F6;pfer
des Himmels nannte und der Erde, freundlich Idol meiner Kindheit, du
wirst nicht z&#x00FC;rnen, da&#x00DF; ich deiner verga&#x00DF;! -
Warum ist die Welt nicht d&#x00FC;rftig genug, um au&#x00DF;er ihr
noch Einen zu suchen?</par>
            <par>
O wenn sie eines Vaters Tochter ist, die herrliche Natur, ist das Herz
der Tochter nicht sein Herz? Ihr Innerstes, ist's nicht Er? Aber hab'
ich's denn? kenn' ich es denn?</par>
            <par>
Es ist, als s&#x00E4;h' ich, aber dann erschreck' ich wieder, als
w&#x00E4;r' es meine eigne Gestalt, was ich gesehn, es ist, als
f&#x00FC;hlt' ich ihn, den Geist der Welt, wie eines Freundes warme
Hand, aber ich erwache und meine, ich habe meine eignen Finger
gehalten.</par>
            <footnote idref="par-Oduzudemichrief" offset="-1">
Es ist wohl nicht n&#x00F6;thig, zu erinnern, da&#x00DF; derlei
&#x00C4;u&#x00DF;erungen als blo&#x00DF;e Ph&#x00E4;nomene des
menschlichen Gem&#x00FC;ths von Rechts wegen niemand skandalisiren
sollten.</footnote>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>Weist du, wie Plato und sein Stella sich liebten?</par>
            <par>
So liebt' ich, so war ich geliebt. O ich war ein gl&#x00FC;klicher
Knabe!</par>
            <par>
Es ist erfreulich, wenn gleiches sich zu gleichem gesellt, aber es ist
g&#x00F6;ttlich, wenn ein gro&#x00DF;er Mensch die kleineren zu sich
aufzieht.</par>
            <par>
Ein freundlich Wort aus eines tapfern Mannes Herzen, ein
L&#x00E4;cheln, worinn die verzehrende Herrlichkeit des Geistes sich
verbirgt, ist wenig und viel, wie ein zauberisch Loosungswort, das Tod
und Leben in seiner einf&#x00E4;ltigen Sylbe verbirgt, ist, wie ein
geistig Wasser, das aus der Tiefe der Berge quillt, und die geheime
Kraft der Erde uns mittheilt in seinem krystallenen Tropfen.</par>
            <par>
Wie hass' ich dagegen alle die Barbaren, die sich einbilden, sie seyen
weise, weil sie kein Herz mehr haben, alle die rohen Unholde, die
tausendf&#x00E4;ltig die jugendliche Sch&#x00F6;nheit t&#x00F6;dten
und zerst&#x00F6;ren, mit ihrer kleinen unvern&#x00FC;nftigen
Mannszucht!</par>
            <par>
Guter Gott! Da will die Eule die jungen Adler aus dem Neste jagen,
will ihnen den Weg zur Sonne weisen!</par>
            <par>
Verzeih mir, Geist meines Adamas! da&#x00DF; ich dieser gedenke vor
dir.  Das ist der Gewinn, den uns Erfahrung giebt, da&#x00DF; wir
nichts trefliches uns denken, ohne sein ungestaltes Gegentheil.</par>
            <par>
O da&#x00DF; nur du mir ewig gegenw&#x00E4;rtig w&#x00E4;rest, mit
allem, was dir verwandt ist, traurender Halbgott, den ich meine! Wen
du umgiebst, mit deiner Ruhe und St&#x00E4;rke, Sieger und
K&#x00E4;mpfer, wem du begegnest mit deiner Liebe und Weisheit, der
fliehe, oder werde, wie du! Unedles und Schwaches besteht nicht neben
dir.</par>
            <par>
Wie oft warst du mir nahe, da du l&#x00E4;ngst mir ferne warst,
verkl&#x00E4;rtest mich mit deinem Lichte, und w&#x00E4;rmtest mich,
da&#x00DF; mein erstarrtes Herz sich wieder bewegte, wie der
verh&#x00E4;rtete Quell, wenn der Stral des Himmels ihn
ber&#x00FC;hrt! Zu den Sternen h&#x00E4;tt' ich dann fliehn
m&#x00F6;gen mit meiner Seeligkeit, damit sie mir nicht
entw&#x00FC;rdigt w&#x00FC;rde von dem, was mich umgab.</par>
            <par>
Ich war aufgewachsen, wie eine Rebe ohne Stab, und die wilden Ranken
breiteten richtungslos &#x00FC;ber dem Boden sich aus. Du weist ja,
wie so manche edle Kraft bei uns zu Grunde geht, weil sie nicht
gen&#x00FC;zt wird. Ich schweiffte herum, wie ein Irrlicht, griff
alles an, wurde von allem ergriffen, aber auch nur f&#x00FC;r den
Moment, und die unbeh&#x00FC;lflichen Kr&#x00E4;fte matteten vergebens
sich ab. Ich f&#x00FC;hlte, da&#x00DF; mir's &#x00FC;berall fehlte,
und konnte doch mein Ziel nicht finden. So fand er mich.</par>
            <par>
Er hatt' an seinem Stoffe, der sogenannten kultivirten Welt, lange
genug Geduld und Kunst ge&#x00FC;bt, aber sein Stoff war Stein und
Holz gewesen und geblieben, nahm wohl zur Noth die edle Menschenform
von au&#x00DF;en an, aber um di&#x00DF; war's meinem Adamas nicht zu
thun; er wollte Menschen, und, um diese zu schaffen, hatt' er seine
Kunst zu arm gefunden. Sie waren einmal da gewesen, die er suchte, die
zu schaffen, seine Kunst zu arm war, das erkannt' er deutlich. Wo sie
da gewesen, wu&#x00DF;t' er auch. Da wollt' er hin und unter dem
Schutt nach ihrem Genius fragen, mit diesem sich die einsamen Tage zu
verk&#x00FC;r- zen. Er kam nach Griechenland. So fand ich ihn.</par>
            <par>
Noch seh' ich ihn vor mich treten in l&#x00E4;chelnder Betrachtung,
noch h&#x00F6;r' ich seinen Gru&#x00DF; und seine Fragen.</par>
            <par>
Wie eine Pflanze, wenn ihr Friede den strebenden Geist
bes&#x00E4;nftigt, und die einf&#x00E4;ltige Gen&#x00FC;gsamkeit
wiederkehrt in die Seele &#x0096; so stand er vor mir.</par>
            <par>
Und ich, war ich nicht der Nachhall seiner stillen Begeisterung?
wiederholten sich nicht die Melodien seines Wesens in mir? Was ich
sah, ward ich, und es war G&#x00F6;ttliches, was ich sah.</par>
            <par>
Wie unverm&#x00F6;gend ist doch der gutwilligste Flei&#x00DF; der
Menschen gegen die Allmacht der ungetheilten Begeisterung.</par>
            <par>
Sie weilt nicht auf der Oberfl&#x00E4;che, fa&#x00DF;t nicht da und
dort uns an, braucht keiner Zeit und keines Mittels; Gebot und Zwang
und &#x00DC;berredung braucht sie nicht; auf allen Seiten, in allen
Tiefen und H&#x00F6;hen ergreift sie im Augenblik' uns, und wandelt,
ehe sie da ist f&#x00FC;r uns, ehe wir fragen, wie uns geschiehet,
durch und durch in ihre Sch&#x00F6;nheit, ihre Seeligkeit uns um.</par>
            <par>
Wohl dem, wem auf diesem Wege ein edler Geist in fr&#x00FC;her Jugend
begegnete!</par>
            <par>
O es sind goldne unverge&#x00DF;liche Tage, voll von den Freuden der
Liebe und s&#x00FC;&#x00DF;er Besch&#x00E4;ftigung!</par>
            <par>
Bald f&#x00FC;hrte mein Adamas in die Hero&#x00EB;nwelt des Plutarch,
bald in das Zauberland der griechischen G&#x00F6;tter mich ein, bald
ordnet' und beruhigt' er mit Zahl und Maas das jugendliche Treiben,
bald stieg er auf die Berge mit mir; des Tags, um die Blumen der Haide
und des Walds und die wilden Moose des Felsen, des Nachts, um
&#x00FC;ber uns die heiligen Sterne zu schauen, und nach menschlicher
Weise zu verstehen.</par>
            <par>
Es ist ein k&#x00F6;stlich Wohlgef&#x00FC;hl in uns, wenn so das
Innere an seinem Stoffe sich st&#x00E4;rkt, sich unterscheidet und
getreuer ankn&#x00FC;pft und unser Geist allm&#x00E4;hlig
waffenf&#x00E4;hig wird.</par>
            <par>
Aber dreifach f&#x00FC;hlt' ich ihn und mich, wenn wir, wie Manen aus
vergangner Zeit, mit Stolz und Freude, mit Z&#x00FC;rnen und Trauern
an den Athos hinauf und von da hin&#x00FC;berschifften in den
Hellespont und dann hinab an die Ufer von Rhodus und die
Bergschl&#x00FC;nde von T&#x00E4;narum, durch die stillen Inseln alle,
wenn da die Sehnsucht &#x00FC;ber die K&#x00FC;sten hinein uns trieb,
in's d&#x00FC;stre Herz des alten Peloponnes, an die einsamen Gestade
des Eurotas, ach! die ausgestorbnen Thale von Elis und Nemea und
Olympia, wenn wir da, an eine Tempels&#x00E4;ule des verge&#x00DF;nen
Jupiters gelehnt, umfangen von Lorbeerrosen und Immergr&#x00FC;n, in's
wilde Flu&#x00DF;bett sahn, und das Leben des Fr&#x00FC;hlings und die
ewig jugendliche Sonne uns mahnte, da&#x00DF; auch der Mensch einst da
war, und nun dahin ist, da&#x00DF; des Menschen herrliche Natur jezt
kaum noch da ist, wie das Bruchst&#x00FC;k eines Tempels oder im
Ged&#x00E4;chtni&#x00DF;, wie ein Todtenbild &#x0096; da sa&#x00DF;
ich traurig spielend neben ihm, und pfl&#x00FC;kte das Moos von eines
Halbgotts Piedestal, grub eine marmorne Heldenschulter aus dem Schutt,
und schnitt den Dornbusch und das Haidekraut von den halbbegrabnen
Architraven, inde&#x00DF; mein Adamas die Landschaft zeichnete, wie
sie freundlich tr&#x00F6;stend den Ruin um- gab, den
Waizenh&#x00FC;gel, die Oliven, die Ziegenheerde, die am Felsen des
Gebirgs hieng, den Ulmenwald, der von den Gipfeln in das Thal sich
st&#x00FC;rzte; und die Lacerte spielte zu unsern F&#x00FC;&#x00DF;en,
und die Fliegen umsummten uns in der Stille des Mittags &#x0096;
Lieber Bellarmin!  ich h&#x00E4;tte Lust, so p&#x00FC;nktlich dir, wie
Nestor, zu erz&#x00E4;hlen; ich ziehe durch die Vergangenheit, wie ein
&#x00C4;hrenleser &#x00FC;ber die Stoppel&#x00E4;ker, wenn der Herr
des Lands geerndtet hat; da liest man jeden Strohhalm auf. Und wie ich
neben ihm stand auf den H&#x00F6;hen von Delos, wie das ein Tag war,
der mir graute, da ich mit ihm an der Granitwand des Cynthus die alten
Marmortreppen hinaufstieg. Hier wohnte der Sonnengott einst, unter den
himmlischen Festen, wo ihn, wie goldnes Gew&#x00F6;lk, das versammelte
Griechenland umgl&#x00E4;nzte. In Fluthen der Freude und Begeisterung
warfen hier, wie Achill in den Styx, die griechischen J&#x00FC;nglinge
sich, und giengen un&#x00FC;berwindlich, wie der Halbgott, hervor. In
den Hainen, in den Tempeln erwachten und t&#x00F6;nten in einander
ihre Seelen, und treu bewahrte jeder die entz&#x00FC;kenden Accorde.</par>
            <par>
Aber was sprech' ich davon? Als h&#x00E4;tten wir noch eine Ahnung
jener Tage! Ach! es kann ja nicht einmal ein sch&#x00F6;ner Traum
gedeihen unter dem Fluche, der &#x00FC;ber uns lastet. Wie ein
heulender Nordwind, f&#x00E4;hrt die Gegenwart &#x00FC;ber die
Bl&#x00FC;then unsers Geistes und versengt sie im Entstehen. Und doch
war es ein goldner Tag, der auf dem Cynthus mich umfieng! Es
d&#x00E4;mmerte noch, da wir schon oben waren.  Jezt kam er herauf in
seiner ewigen Jugend, der alte Sonnengott, zufrieden und
m&#x00FC;helos, wie immer, flog der unsterbliche Titan mit seinen
tausend eignen Freuden herauf, und l&#x00E4;chelt' herab auf sein
ver&#x00F6;det Land, auf seine Tempel, seine S&#x00E4;ulen, die das
Schiksaal vor ihn hingeworfen hatte, wie die d&#x00FC;rren
Rosenbl&#x00E4;tter, die im Vor&#x00FC;bergehen ein Kind gedankenlos
vom Strauche ri&#x00DF;, und auf die Erde s&#x00E4;ete.</par>
            <par>
Sei, wie dieser! rief mir Adamas zu, ergriff mich bei der Hand und
hielt sie dem Gott entgegen, und mir war, als tr&#x00FC;gen uns die
Morgenwinde mit sich fort, und br&#x00E4;chten uns in's Geleite des
heiligen Wesens, das nun hinaufstieg auf den Gipfel des Himmels,
freundlich und gro&#x00DF;, und wunderbar mit seiner Kraft und seinem
Geist die Welt und uns erf&#x00FC;llte.</par>
            <par>
Noch trauert und frohlockt mein Innerstes &#x00FC;ber jedes Wort, das
mir damals Adamas sagte, und ich begreife meine Bed&#x00FC;rftigkeit
nicht, wenn oft mir wird, wie damals ihm seyn mu&#x00DF;te. Was ist
Verlust, wenn so der Mensch in seiner eignen Welt sich findet? In uns
ist alles. Was k&#x00FC;mmerts dann den Menschen, wenn ein Haar von
seinem Haupte f&#x00E4;llt? Was ringt er so nach Knechtschaft, da er
ein Gott sein k&#x00F6;nnte!  Du wirst einsam seyn, mein Liebling! 
sagte mir damals Adamas auch, du wirst seyn wie der Kranich, den seine
Br&#x00FC;der zur&#x00FC;klie&#x00DF;en in rauher Jahrszeit,
inde&#x00DF; sie den Fr&#x00FC;hling suchen im fernen Lande.</par>
            <par>
Und das ist's, Lieber! Das macht uns arm bei allem Reichtum,
da&#x00DF; wir nicht allein seyn k&#x00F6;nnen, da&#x00DF; die Liebe
in uns, so lange wir leben, nicht erstirbt. Gieb mir meinen Adamas
wieder, und komm mit allen, die mir angeh&#x00F6;ren, da&#x00DF; die
alte sch&#x00F6;ne Welt sich unter uns erneure, da&#x00DF; wir uns
versammeln und vereinen in den Armen unserer Gottheit, der Natur, und
siehe! so wei&#x00DF; ich nichts von Nothdurft.</par>
            <par>
Aber sage nur niemand, da&#x00DF; uns das Schiksaal trenne! Wir
sind's, wir! wir haben unsre Lust daran, uns in die Nacht des
Unbekannten, in die kalte Fremde irgend einer andern Welt zu
st&#x00FC;rzen, und, w&#x00E4;r' es m&#x00F6;glich, wir
verlie&#x00DF;en der Sonne Gebiet und st&#x00FC;rmten &#x00FC;ber des
Irrsterns Gr&#x00E4;nzen hinaus. Ach! f&#x00FC;r des Menschen wilde
Brust ist keine Heimath m&#x00F6;glich; und wie der Sonne Stral die
Pflanzen der Erde, die er entfaltete, wieder versengt, so
t&#x00F6;dtet der Mensch die s&#x00FC;&#x00DF;en Blumen, die an seiner
Brust gedeihten, die Freuden der Verwandtschaft und der Liebe.</par>
            <par>
Es ist, als z&#x00FC;rnt ich meinem Adamas, da&#x00DF; er mich
verlie&#x00DF;, aber ich z&#x00FC;rn' ihm nicht. O er wollte ja wieder
kommen!</par>
            <par>
In der Tiefe von Asien soll ein Volk von seltner Treflichkeit
verborgen seyn; dahin trieb ihn seine Hoffnung weiter.</par>
            <par>
Bis Nio begleitet' ich ihn. Es waren bittere Tage. Ich habe den
Schmerz ertragen gelernt, aber f&#x00FC;r solch' ein Scheiden hab' ich
keine Kraft in mir.</par>
            <par>
Mit jedem Augenblike, der uns der lezten Stunde n&#x00E4;her brachte,
wurd' es sichtbarer, wie dieser Mensch verwebt war in mein Wesen. Wie
ein Sterbender den fliehenden Othem, hielt ihn meine Seele.</par>
            <par>
Am Grabe Homers brachten wir noch einige Tage zu, und Nio wurde mir
die heiligste unter den Inseln.</par>
            <par>
Endlich rissen wir uns los. Mein Herz hatte sich m&#x00FC;de gerungen.
Ich war ruhiger im lezten Augenblike. Auf den Knieen lag ich vor ihm,
umschlo&#x00DF; ihn zum leztenmale mit diesen Armen; gieb mir einen
Seegen, mein Vater! rief ich leise zu ihm hinauf, und er
l&#x00E4;chelte gro&#x00DF;, und seine Stirne breitete vor den Sternen
des Morgens sich aus und sein Auge durchdrang die R&#x00E4;ume des
Himmels &#x0096; Bewahrt ihn mir, rief er, ihr Geister besserer Zeit! 
und zieht zu eurer Unsterblichkeit ihn auf, und all' ihr freundlichen
Kr&#x00E4;fte des Himmels und der Erde, seyd mit ihm!</par>
            <par>
Es ist ein Gott in uns, sezt' er ruhiger hinzu, der lenkt, wie
Wasserb&#x00E4;che, das Schiksaal, und alle Dinge sind sein
Element. Der sey vor allem mit dir!  So schieden wir. Leb wohl, mein
Bellarmin!</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Wohin k&#x00F6;nnt' ich mir entfliehen, h&#x00E4;tt' ich nicht die
lieben Tage meiner Jugend?</par>
            <par>
Wie ein Geist, der keine Ruhe am Acheron findet, kehr' ich
zur&#x00FC;k in die verla&#x00DF;nen Gegenden meines Lebens. Alles
altert und verj&#x00FC;ngt sich wieder. Warum sind wir ausgenommen vom
sch&#x00F6;nen Kreislauf der Natur? Oder gilt er auch f&#x00FC;r
uns?</par>
            <par>
Ich wollt' es glauben, wenn Eines nicht in uns w&#x00E4;re, das
ungeheure Streben, Alles zu seyn, das, wie der Titan des Aetna,
heraufz&#x00FC;rnt aus den Tiefen unsers Wesens.</par>
            <par>
Und doch, wer wollt' es nicht lieber in sich f&#x00FC;hlen, wie ein
siedend &#x00D6;l, als sich gestehn, er sey f&#x00FC;r die
Gei&#x00DF;el und f&#x00FC;r's Joch geboren?  Ein tobend
Schlachtro&#x00DF; oder eine M&#x00E4;hre, die das Ohr h&#x00E4;ngt,
was ist edler?</par>
            <par>
Lieber! es war eine Zeit, da auch meine Brust an gro&#x00DF;en
Hoffnungen sich sonnte, da auch mir die Freude der Unsterblichkeit in
allen Pulsen schlug, da ich wandelt' unter herrlichen
Entw&#x00FC;rfen, wie in weiter W&#x00E4;ldernacht, da ich
gl&#x00FC;klich, wie die Fische des Oceans, in meiner uferlosen
Zukunft weiter, ewig weiter drang.</par>
            <par>
Wie muthig, seelige Natur! entsprang der J&#x00FC;ngling deiner Wiege!
wie freut' er sich in seiner unversuchten R&#x00FC;stung! Sein Bogen
war gespannt und seine Pfeile rauschten im K&#x00F6;cher, und die
Unsterblichen, die hohen Geister des Altertums f&#x00FC;hrten ihn an,
und sein Adamas war mitten unter ihnen.</par>
            <par>
Wo ich gieng und stand, geleiteten mich die herrlichen Gestalten; wie
Flammen, verloren sich in meinem Sinne die Thaten aller Zeiten in
einander, und wie in Ein frolokend Gewitter die Riesenbilder, die
Wolken des Himmels sich vereinen, so vereinten sich, so wurden Ein
unendlicher Sieg in mir die hundertf&#x00E4;ltigen Siege der
Olympiaden.</par>
            <par>
Wer h&#x00E4;lt das aus, wen rei&#x00DF;t die schr&#x00F6;kende
Herrlichkeit des Altertums nicht um, wie ein Orkan die jungen
W&#x00E4;lder umrei&#x00DF;t, wenn sie ihn ergreift, wie mich, und
wenn, wie mir, das Element ihm fehlt, worinn er sich ein
st&#x00E4;rkend Selbstgef&#x00FC;hl erbeuten k&#x00F6;nnte?</par>
            <par>
O mir, mir beugte die Gr&#x00F6;&#x00DF;e der Alten, wie ein Sturm,
das Haupt, mir raffte sie die Bl&#x00FC;the vom Gesichte, und oftmals
lag ich, wo kein Auge mich bemerkte, unter tausend Thr&#x00E4;nen da,
wie eine gest&#x00FC;rzte Tanne, die am Bache liegt und ihre welke
Krone in die Fluth verbirgt. Wie gerne h&#x00E4;tt' ich einen
Augenblik aus eines gro&#x00DF;en Mannes Leben mit Blut erkauft!</par>
            <par>
Aber was half mir das? Es wollte ja mich niemand.</par>
            <par>
O es ist j&#x00E4;mmerlich, so sich vernichtet zu sehn; und wem
di&#x00DF; unverst&#x00E4;ndlich ist, der frage nicht danach, und
danke der Natur, die ihn zur Freude, wie die Schmetterlinge, schuff,
und geh', und sprech' in seinem Leben nimmermehr von Schmerz und
Ungl&#x00FC;k.</par>
            <par>
Ich liebte meine Hero&#x00EB;n, wie eine Fliege das Licht; ich suchte
ihre gef&#x00E4;hrliche N&#x00E4;he und floh und suchte sie
wieder.</par>
            <par>
Wie ein blutender Hirsch in den Strom, st&#x00FC;rzt' ich oft mitten
hinein in den Wirbel der Freude, die brennende Brust zu k&#x00FC;hlen
und die tobenden herrlichen Tr&#x00E4;ume von Ruhm und
Gr&#x00F6;&#x00DF;e wegzubaden, aber was half das?</par>
            <par>
Und wenn mich oft um Mitternacht das hei&#x00DF;e Herz in den Garten
hinuntertrieb unter die thauigen B&#x00E4;ume, und der Wiegengesang
des Quells und die liebliche Luft und das Mondlicht meinen Sinn
bes&#x00E4;nftigte, und so frei und friedlich &#x00FC;ber mir die
silbernen Gew&#x00F6;lke sich regten, und aus der Ferne mir die
verhallende Stimme der Meeresfluth t&#x00F6;nte, wie freundlich
spielten da mit meinem Herzen all' die gro&#x00DF;en Phantome seiner
Liebe!</par>
            <par>
Lebt wohl, ihr Himmlischen! sprach ich oft im Geiste, wenn &#x00FC;ber
mir die Melodie des Morgenlichts mit leisem Laute begann, ihr
herrlichen Todten lebt wohl! ich m&#x00F6;cht' euch folgen,
m&#x00F6;chte von mir sch&#x00FC;tteln, was mein Jahrhundert mir gab,
und aufbrechen in's freiere Schattenreich!</par>
            <par>
Aber ich schmachte an der Kette und hasche mit bitterer Freude die
k&#x00FC;mmerliche Schaale, die meinem Durste gereicht wird.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Meine Insel war mir zu enge geworden, seit Adamas fort war. Ich hatte
Jahre schon in Tina Langeweile. Ich wollt' in die Welt.</par>
            <par>
Geh vorerst nach Smyrna, sagte mein Vater, lerne da die K&#x00FC;nste
der See und des Kriegs, lerne die Sprache gebildeter V&#x00F6;lker und
ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebr&#x00E4;uche,
pr&#x00FC;fe alles und w&#x00E4;hle das Beste! &#x0096; Dann kann es
meinetwegen weiter gehn.</par>
            <par>
Lern' auch ein wenig Gedult! sezte die Mutter hinzu, und ich nahm's
mit Dank an.</par>
            <par>
Es ist entz&#x00FC;kend, den ersten Schritt aus der Schranke der
Jugend zu thun, es ist, als d&#x00E4;cht' ich meines Geburtstags, wenn
ich meiner Abreise von Tina gedenke. Es war eine neue Sonne
&#x00FC;ber mir, und Land und See und Luft geno&#x00DF; ich wie zum
erstenmale.</par>
            <par>
Die lebendige Th&#x00E4;tigkeit, womit ich nun in Smyrna meine Bildung
besorgte, und der eilende Fortschritt bes&#x00E4;nftigte mein Herz
nicht wenig. Auch manches seeligen Feierabends erinnere ich mich aus
dieser Zeit. Wie oft gieng ich unter den immer gr&#x00FC;nen
B&#x00E4;umen am Gestade des Meles, an der Geburtsst&#x00E4;tte meines
Homer, und sammelt' Opferblumen und warf sie in den heiligen Strom! 
Zur nahen Grotte trat ich dann in meinen friedlichen Tr&#x00E4;umen,
da h&#x00E4;tte der Alte, sagen sie, seine Iliade gesungen. Ich fand
ihn. Jeder Laut in mir verstummte vor seiner Gegenwart. Ich schlug
sein g&#x00F6;ttlich Gedicht mir auf und es war, als h&#x00E4;tt' ich
es nie gekannt, so ganz anders wurd' es jezt lebendig in mir.</par>
            <par>
Auch denk' ich gerne meiner Wanderung durch die Gegenden von
Smyrna. Es ist ein herrlich Land, und ich habe tausendmal mir
Fl&#x00FC;gel gew&#x00FC;nscht, um des Jahres Einmal nach Kleinasien
zu fliegen.</par>
            <par>
Aus der Ebne von Sardes kam ich durch die Felsenw&#x00E4;nde des
Tmolus herauf.</par>
            <par>
Ich hatt' am Fu&#x00DF;e des Bergs &#x00FC;bernachtet in einer
freundlichen H&#x00FC;tte, unter Myrthen, unter den D&#x00FC;ften des
Ladanstrauchs, wo in der goldnen Fluth des Pactolus die Schw&#x00E4;ne
mir zur Seite spielten, wo ein alter Tempel der Cybele aus den Ulmen
hervor, wie ein sch&#x00FC;chterner Geist, in's helle Mondlicht
blikte. F&#x00FC;nf liebliche S&#x00E4;ulen trauerten &#x00FC;ber dem
Schutt, und ein k&#x00F6;niglich Portal lag niedergest&#x00FC;rzt zu
ihren F&#x00FC;&#x00DF;en.</par>
            <par>
Durch tausend bl&#x00FC;hende Geb&#x00FC;sche wuchs mein Pfad nun auf-
w&#x00E4;rts. Vom schroffen Abhang neigten lispelnde B&#x00E4;ume
sich, und &#x00FC;bergossen mit ihren zarten Floken mein Haupt. Ich
war des Morgens ausgegangen. Um Mittag war ich auf der H&#x00F6;he des
Gebirgs. Ich stand, sah fr&#x00F6;hlich vor mich hin, geno&#x00DF; der
reineren L&#x00FC;fte des Himmels. Es waren seelige Stunden.</par>
            <par>
Wie ein Meer, lag das Land, wovon ich heraufkam, vor mir da,
jugendlich, voll lebendiger Freude; es war ein himmlisch unendlich
Farbenspiel, womit der Fr&#x00FC;hling mein Herz
begr&#x00FC;&#x00DF;te, und wie die Sonne des Himmels sich wiederfand
im tausendfachen Wechsel des Lichts, das ihr die Erde zur&#x00FC;kgab,
so erkannte mein Geist sich in der F&#x00FC;lle des Lebens, die ihn
umfieng, von allen Seiten ihn &#x00FC;berfiel.</par>
            <par>
Zur Linken st&#x00FC;rzt' und jauchzte, wie ein Riese, der Strom in
die W&#x00E4;lder hinab, vom Marmorfelsen, der &#x00FC;ber mir hieng,
wo der Adler spielte mit seinen Jungen, wo die Schneegipfel hinauf in
den blauen Aether gl&#x00E4;nzten; rechts w&#x00E4;lzten Wetterwolken
sich her &#x00FC;ber den W&#x00E4;ldern des Sipylus; ich f&#x00FC;hlte
nicht den Sturm, der sie trug, ich f&#x00FC;hlte nur ein
L&#x00FC;ftchen in den Loken, aber ihren Donner h&#x00F6;rt' ich, wie
man die Stimme der Zukunft h&#x00F6;rt, und ihre Flammen sah ich, wie
das ferne Licht der geahneten Gottheit. Ich wandte mich
s&#x00FC;dw&#x00E4;rts und gieng weiter. Da lag es offen vor mir, das
ganze paradiesische Land, das der Cayster durchstr&#x00F6;mt, durch so
manchen reizenden Umweg, als k&#x00F6;nnt' er nicht lange genug
verweilen in all' dem Reichtum und der Lieblichkeit, die ihn
umgiebt. Wie die Zephyre, irrte mein Geist von Sch&#x00F6;nheit zu
Sch&#x00F6;nheit seelig umher, vom fremden friedlichen
D&#x00F6;rfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo die
Gebirgkette des Messogis d&#x00E4;mmert.</par>
            <par>
Ich kam nach Smyrna zur&#x00FC;k, wie ein Trunkener vom Gastmahl.
Mein Herz war des Wohlgef&#x00E4;lligen zu voll, um nicht von seinem
&#x00DC;berflusse der Sterblichkeit zu leihen. Ich hatte zu
gl&#x00FC;klich in mich die Sch&#x00F6;nheit der Natur erbeutet, um
nicht die L&#x00FC;ken des Menschenlebens damit
auszuf&#x00FC;llen. Mein d&#x00FC;rftig Smyrna kleidete sich in die
Farben meiner Begeisterung, und stand, wie eine Braut, da. Die
geselligen St&#x00E4;dter zogen mich an. Der Widersinn in ihren Sitten
ver- gn&#x00FC;gte mich, wie eine Kinderposse, und weil ich von Natur
hinaus war &#x00FC;ber all' die eingef&#x00FC;hrten Formen und
Br&#x00E4;uche, spielt' ich mit allen, und legte sie an und zog sie
aus, wie Fastnachtskleider.</par>
            <par>
Was aber eigentlich mir die schaale Kost des gew&#x00F6;hnlichen
Umgangs w&#x00FC;rzte, das waren die guten Gesichter und Gestalten,
die noch hie und da die mitleidige Natur, wie Sterne, in unsere
Verfinsterung sendet.</par>
            <par>
Wie hatt' ich meine herzliche Freude daran! wie glaubig deutet' ich
diese freundlichen Hieroglyphen! Aber es gieng mir fast damit, wie
ehemals mit den Birken im Fr&#x00FC;hlinge. Ich hatte von dem Safte
dieser B&#x00E4;ume geh&#x00F6;rt, und dachte Wunder, was ein
k&#x00F6;stlich Getr&#x00E4;nk die lieblichen St&#x00E4;mme geben
m&#x00FC;&#x00DF;ten. Aber es war nicht Kraft und Geist genug
darinnen.</par>
            <par>
Ach! und wie heillos war das &#x00FC;brige alles, was ich h&#x00F6;rt'
und sah.</par>
            <par>
Es war mir wirklich hie und da, als h&#x00E4;tte sich die
Menschennatur in die Mannigfaltigkeiten des Thierreichs
aufgel&#x00F6;st, wenn ich umher gieng unter diesen Gebildeten. Wie
&#x00FC;berall, so waren auch hier die M&#x00E4;nner besonders
verwahrlost und verwest.</par>
            <par>
Gewisse Thiere heulen, wenn sie Musik anh&#x00F6;ren. Meine
bessergezognen Leute hingegen lachten, wenn von
Geistessch&#x00F6;nheit die Rede war und von Jugend des Herzens. Die
W&#x00F6;lfe gehen davon, wenn einer Feuer schl&#x00E4;gt. Sahn jene
Menschen einen Funken Vernunft, so kehrten sie, wie Diebe, den
R&#x00FC;ken.</par>
            <par>
Sprach ich einmal auch vom alten Griechenland ein warmes Wort, so
g&#x00E4;hnten sie, und meinten, man h&#x00E4;tte doch auch zu leben
in der jezigen Zeit; und es w&#x00E4;re der gute Geschmak noch immer
nicht ver- loren gegangen, fiel ein anderer bedeutend ein.</par>
            <par>
Di&#x00DF; zeigte sich dann auch. Der eine wizelte, wie ein
Bootsknecht, der andere blies die Baken auf und predigte Sentenzen.</par>
            <par>
Es geb&#x00E4;rdet' auch wohl einer sich aufgekl&#x00E4;rt, machte dem
Himmel ein Schnippchen und rief: um die V&#x00F6;gel auf dem Dache
hab' er nie sich bek&#x00FC;mmert, die V&#x00F6;gel in der Hand, die
seyen ihm lieber! Doch wenn man ihm vom Tode sprach, so legt' er
straks die H&#x00E4;nde zusammen, und kam so nach und nach im
Gespr&#x00E4;che darauf, wie es gef&#x00E4;hrlich sey, da&#x00DF;
unsere Priester nichts mehr gelten.</par>
            <par>
Die Einzigen, deren zuweilen ich mich bediente, waren die
Erz&#x00E4;hler, die lebendigen Nahmenregister von fremden
St&#x00E4;dten und L&#x00E4;ndern, die redenden Bilderkasten, wo man
Potentaten auf Rossen und Kirchth&#x00FC;rme und M&#x00E4;rkte seh'n
kann.</par>
            <par>
Ich war es endlich m&#x00FC;de, mich wegzuwerfen, Trauben zu suchen in
der W&#x00FC;ste und Blumen &#x00FC;ber dem Eisfeld.</par>
            <par>
Ich lebte nun entschiedner allein, und der sanfte Geist meiner Jugend
war fast ganz aus meiner Seele verschwunden. Die Unheilbarkeit des
Jahrhunderts war mir aus so manchem, was ich erz&#x00E4;hle und nicht
erz&#x00E4;hle, sichtbar geworden, und der sch&#x00F6;ne Trost, in
Einer Seele meine Welt zu finden, mein Geschlecht in einem
freundlichen Bilde zu umarmen, auch der gebrach mir.</par>
            <par>
Lieber! was w&#x00E4;re das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus
der Kohle springt und verlischt, und wie man bei tr&#x00FC;ber
Jahrszeit einen Windsto&#x00DF; h&#x00F6;rt, der einen Augenblik saust
und dann verhallt, so w&#x00E4;r es mit uns?</par>
            <par>
Auch die Schwalbe sucht ein freundlicher Land im Winter, es
l&#x00E4;uft das Wild umher in der Hizze des Tags und seine Augen
suchen den Quell. Wer sagt dem Kinde, da&#x00DF; die Mutter ihre Brust
ihm nicht versage? Und siehe! es sucht sie doch.</par>
            <par>
Es lebte nichts, wenn es nicht hoffte. Mein Herz verschlo&#x00DF; jezt
seine Sch&#x00E4;ze, aber nur, um sie f&#x00FC;r eine bessere Zeit zu
sparen, f&#x00FC;r das Einzige, Heilige, Treue, das gewi&#x00DF;, in
irgend einer Periode des Daseyns, meiner d&#x00FC;rstenden Seele
begegnen sollte.</par>
            <par>
Wie seelig hieng ich oft an ihm, wenn es, in Stunden des Ahnens,
leise, wie das Mondlicht, um die bes&#x00E4;nftigte Stirne mir
spielte? Schon damals kannt' ich dich, schon damals bliktest du, wie
ein Genius, aus Wolken mich an, du, die mir einst, im Frieden der
Sch&#x00F6;nheit, aus der tr&#x00FC;ben Wooge der Welt stieg! Da
k&#x00E4;mpfte, da gl&#x00FC;ht' es nimmer, di&#x00DF; Herz.</par>
            <par>
Wie in schweigender Luft sich eine Lilie wiegt, so regte sich in
seinem Elemente, in den entz&#x00FC;kenden Tr&#x00E4;umen von ihr,
mein Wesen.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Smyrna war mir nun verlaidet. &#x00DC;berhaupt war mein Herz
allm&#x00E4;h- lich m&#x00FC;der geworden. Zuweilen konnte wohl der
Wunsch in mir auf- fahren, um die Welt zu wandern oder in den ersten
besten Krieg zu gehn, oder meinen Adamas aufzusuchen und in seinem
Feuer meinen Mismuth auszubrennen, aber dabei blieb es, und mein
unbedeutend welkes Leben wollte nimmer sich erfrischen.</par>
            <par>
Der Sommer war nun bald zu Ende; ich f&#x00FC;hlte schon die
d&#x00FC;stern Regentage und das Pfeifen der Winde und Tosen der
Wetterb&#x00E4;che zum voraus, und die Natur, die, wie ein
sch&#x00E4;umender Springquell, emporgedrungen war in allen Pflanzen
und B&#x00E4;umen, stand jezt schon da vor meinem verd&#x00FC;sterten
Sinne, schwindend und verschlossen und in sich gekehrt, wie ich
selber.</par>
            <par>
Ich wollte noch mit mir nehmen, was ich konnte, von all' dem
fliehenden Leben, alles, was ich drau&#x00DF;en liebgewonnen hatte,
wollt' ich noch hereinretten in mich, denn ich wu&#x00DF;te wohl,
da&#x00DF; mich das wiederkehrende Jahr nicht wieder finden
w&#x00FC;rde unter diesen B&#x00E4;umen und Bergen, und so gieng und
ritt ich jezt mehr, als gew&#x00F6;hnlich, herum im ganzen Bezirke.</par>
            <par>
Was aber mich besonders hinaustrieb, war das geheime Verlangen, einen
Menschen zu sehn, der seit einiger Zeit vor dem Thore unter den
B&#x00E4;umen, wo ich vorbei kam, mir alle Tage begegnet war.</par>
            <par>
Wie ein junger Titan, schritt der herrliche Fremdling unter dem
Zwergengeschlechte daher, das mit freudiger Scheue an seiner
Sch&#x00F6;ne sich waidete, seine H&#x00F6;he ma&#x00DF; und seine
St&#x00E4;rke, und an dem gl&#x00FC;henden verbrannten
R&#x00F6;merkopfe, wie an verbotner Frucht mit verstohlnem Blike sich
labte, und es war jedesmal ein herrlicher Moment, wann das Auge dieses
Menschen, f&#x00FC;r dessen Blik der freie Aether zu enge schien, so
mit abgelegtem Stolze sucht' und strebte, bis es sich in meinem Auge
f&#x00FC;hlte und wir err&#x00F6;thend uns einander nachsahn und
vor&#x00FC;ber giengen.</par>
            <par>
Einst war ich tief in die W&#x00E4;lder des Mimas hineingeritten und
kehrt' erst sp&#x00E4;t Abends zur&#x00FC;k. Ich war abgestiegen, und
f&#x00FC;hrte mein Pferd einen steilen w&#x00FC;sten Pfad &#x00FC;ber
Baumwurzeln und Steine hin- unter, und, wie ich so durch die
Str&#x00E4;uche mich wand, in die H&#x00F6;hle hinunter, die nun vor
mir sich &#x00F6;ffnete, fielen pl&#x00F6;zlich ein paar Kara-
bornische R&#x00E4;uber &#x00FC;ber mich her, und ich hatte
M&#x00FC;he, f&#x00FC;r den ersten Moment die zwei gez&#x00FC;kten
S&#x00E4;bel abzuhalten; aber sie waren schon von anderer Arbeit
m&#x00FC;de, und so half ich doch mir durch. Ich sezte mich ruhig
wieder aufs Pferd und ritt hinab.</par>
            <par>
Am Fu&#x00DF;e des Berges that mitten unter den W&#x00E4;ldern und
aufgeh&#x00E4;uften Felsen sich eine kleine Wiese vor mir auf. Es
wurde hell. Der Mond war eben aufgegangen &#x00FC;ber den finstern
B&#x00E4;umen. In einiger Entfernung sah ich Rosse auf dem Boden
ausgestrekt und M&#x00E4;nner neben ihnen im Grase.</par>
            <par>
Wer seyd ihr? rief ich.</par>
            <par>
Das ist Hyperion! rief eine Heldenstimme, freudig
&#x00FC;berrascht. Du kennst mich, fuhr die Stimme fort; ich begegne
dir alle Tage unter den B&#x00E4;umen am Thore.</par>
            <par>
Mein Ro&#x00DF; flog, wie ein Pfeil, ihm zu. Das Mondlicht schien ihm
hell in's Gesicht. Ich kannt' ihn; ich sprang herab.</par>
            <par>
Guten Abend! rief der liebe R&#x00FC;stige, sah mit z&#x00E4;rtlich
wildem Blike mich an und dr&#x00FC;kte mit seiner nervigen Faust die
meine, da&#x00DF; mein Innerstes den Sinn davon empfand.</par>
            <par>
O nun war mein unbedeutend Leben am Ende!</par>
            <par>
Alabanda, so hie&#x00DF; der Fremde, sagte mir nun, da&#x00DF; er mit
seinem Diener von R&#x00E4;ubern w&#x00E4;re &#x00FC;berfallen worden,
da&#x00DF; die beiden, auf die ich stie&#x00DF;, w&#x00E4;ren
fortgeschikt worden von ihm, da&#x00DF; er den Weg aus dem Walde
verloren gehabt und darum w&#x00E4;re gen&#x00F6;thigt gewesen, auf
der Stelle zu bleiben, bis ich gekommen. Ich habe einen Freund dabei
verloren, sezt' er hinzu, und wies sein todtes Ro&#x00DF; mir.</par>
            <par>
Ich gab das meine seinem Diener, und wir giengen zu Fu&#x00DF;e
weiter.</par>
            <par>
Es geschah uns recht, begann ich, inde&#x00DF; wir Arm in Arm zusammen
aus dem Walde giengen; warum z&#x00F6;gerten wir auch so lange und
giengen uns vor&#x00FC;ber, bis der Unfall uns zusammenbrachte.</par>
            <par>
Ich mu&#x00DF; denn doch dir sagen, erwiedert' Alabanda, da&#x00DF; du
der Schuldigere, der K&#x00E4;ltere bist. Ich bin dir heute
nachgeritten.</par>
            <par>
Herrlicher! rief ich, siehe nur zu! an Liebe sollst du doch mich
nimmer &#x00FC;bertreffen.</par>
            <par>
Wir wurden immer inniger und freudiger zusammen.</par>
            <par>
Wir kamen nahe bei der Stadt an einem wohlgebauten Khan vorbei, das
unter pl&#x00E4;tschernden Brunnen ruhte und unter Fruchtb&#x00E4;umen
und duftenden Wiesen.</par>
            <par>
Wir beschlossen, da zu &#x00FC;bernachten. Wir sa&#x00DF;en noch lange
zusammen bei offnen Fenstern. Hohe geistige Stille umfieng uns. Erd'
und Meer war seelig verstummt, wie die Sterne, die &#x00FC;ber uns
hiengen.  Kaum, da&#x00DF; ein L&#x00FC;ftchen von der See her uns
in's Zimmer flog und zart mit unserm Lichte spielte, oder da&#x00DF;
von ferner Musik die gewaltigern T&#x00F6;ne zu uns drangen,
inde&#x00DF; die Donnerwolke sich wiegt' im Bette des Aethers, und hin
und wieder durch die Stille fernher t&#x00F6;nte, wie ein schlafender
Riese, wenn er st&#x00E4;rker athmet in seinen furchtbaren
Tr&#x00E4;umen.</par>
            <par>
Unsre Seelen mu&#x00DF;ten um so st&#x00E4;rker sich n&#x00E4;hern,
weil sie wider Willen waren verschlossen gewesen. Wir begegneten
einander, wie zwei B&#x00E4;che, die vom Berge rollen, und die Last
von Erde und Stein und faulem Holz und das ganze tr&#x00E4;ge Chaos,
das sie aufh&#x00E4;lt, von sich schleudern, um den Weg sich zu
einander zu bahnen, und durchzubrechen bis dahin, wo sie nun
ergreiffend und ergriffen mit gleicher Kraft, vereint in Einen
majest&#x00E4;tischen Strom, die Wanderung in's weite Meer beginnen.</par>
            <par>
Er, vom Schiksaal und der Barbarei der Menschen heraus, vom eignen
Hause unter Fremden hin und her gejagt, von fr&#x00FC;her Jugend an
erbittert und verwildert, und doch auch das innere Herz voll Liebe,
voll Verlangens, aus der rauhen H&#x00FC;lse durchzudringen in ein
freundlich Element; ich, von allem schon so innigst abgeschieden, so
mit ganzer Seele fremd und einsam unter den Menschen, so
l&#x00E4;cherlich begleitet von dem Schellenklange der Welt in meines
Herzens liebsten Melodien; ich, die Antipathie aller Blinden und
Lahmen, und doch mir selbst zu blind und lahm, doch mir selbst so
herzlich &#x00FC;berl&#x00E4;stig in allem, was von ferne verwandt war
mit den Klugen und Vern&#x00FC;nftlern, den Barbaren und den Wizlingen
- und so voll Hoffnung, so voll einziger Erwartung eines
sch&#x00F6;nern Lebens &#x0096;</par>
            <par>
Mu&#x00DF;ten so in freudig st&#x00FC;rmischer Eile nicht die beiden
J&#x00FC;nglinge sich umfassen?</par>
            <par>
O du, mein Freund und Kampfgenosse, mein Alabanda, wo bist du? Ich
glaube fast, du bist in's unbekannte Land hin&#x00FC;bergegangen, zur
Ruhe, bist wieder geworden, wie einst, da wir noch Kinder waren.</par>
            <par>
Zuweilen, wenn ein Gewitter &#x00FC;ber mir hinzieht, und seine
g&#x00F6;ttlichen Kr&#x00E4;fte unter die W&#x00E4;lder austheilt und
die Saaten, oder wenn die Woogen der Meersfluth unter sich spielen,
oder ein Chor von Adlern um die Berggipfel, wo ich wandre, sich
schwingt, kann mein Herz sich regen, als w&#x00E4;re mein Alabanda
nicht fern; aber sichtbarer, gegenw&#x00E4;rtiger, unverkennbarer lebt
er in mir, ganz, wie er einst dastand, ein feurig strenger furchtbarer
Kl&#x00E4;ger, wenn er die S&#x00FC;nden des Jahrhunderts nannte. Wie
erwachte da in seinen Tiefen mein Geist, wie rollten mir die
Donnerworte der unerbittlichen Gerechtigkeit &#x00FC;ber die Zunge! 
Wie Boten der Nemesis, durchwanderten unsre Gedanken die Erde, und
reinigten sie, bis keine Spur von allem Fluche da war.</par>
            <par>
Auch die Vergangenheit riefen wir vor unsern Richterstuhl, das stolze
Rom erschr&#x00F6;kte uns nicht mit seiner Herrlichkeit, Athen bestach
uns nicht mit seiner jugendlichen Bl&#x00FC;the.</par>
            <par>
Wie St&#x00FC;rme, wenn sie frohlokend, unaufh&#x00F6;rlich fort durch
W&#x00E4;lder &#x00FC;ber Berge fahren, so drangen unsre Seelen in
kolossalischen Entw&#x00FC;rfen hinaus; nicht, als h&#x00E4;tten wir,
unm&#x00E4;nnlich, unsre Welt, wie durch ein Zauberwort, geschaffen,
und kindisch unerfahren keinen Widerstand berechnet, dazu war Alabanda
zu verst&#x00E4;ndig und zu tapfer. Aber oft ist auch die
m&#x00FC;helose Begeisterung kriegerisch und klug.</par>
            <par>
Ein Tag ist mir besonders gegenw&#x00E4;rtig.</par>
            <par>
Wir waren zusammen auf's Feld gegangen, sa&#x00DF;en vertraulich
umschlungen im Dunkel des immergr&#x00FC;nen Lorbeers, und sahn
zusammen in unsern Plato, wo er so wunderbar erhaben vom Altern und
Verj&#x00FC;ngen spricht, und ruhten hin und wieder aus auf der
stummen entbl&#x00E4;tterten Landschaft, wo der Himmel sch&#x00F6;ner,
als je, mit Wolken und Sonnenschein um die herbstlich schlafenden
B&#x00E4;ume spielte.</par>
            <par>
Wir sprachen darauf manches vom jezigen Griechenland, beede mit
blutendem Herzen, denn der entw&#x00FC;rdigte Boden war auch
Alabanda's Vaterland.</par>
            <par>
Alabanda war wirklich ungew&#x00F6;hnlich bewegt.</par>
            <par>
Wenn ich ein Kind ansehe, rief dieser Mensch, und denke, wie
schm&#x00E4;hlich und verderbend das Joch ist, das es tragen wird, und
da&#x00DF; es darben wird, wie wir, da&#x00DF; es Menschen suchen
wird, wie wir, fragen wird, wie wir, nach Sch&#x00F6;nem und Wahrem,
da&#x00DF; es unfruchtbar vergehen wird, weil es allein seyn wird, wie
wir, da&#x00DF; es - o nehmt doch eure S&#x00F6;hne aus der Wiege, und
werft sie in den Strom, um wenigstens vor eurer Schande sie zu retten!</par>
            <par>
Gewi&#x00DF;, Alabanda! sagt' ich, gewi&#x00DF; es wird anders.</par>
            <par>
Wodurch? erwidert' er; die Helden haben ihren Ruhm, die Weisen ihre
Lehrlinge verloren. Gro&#x00DF;e Thaten, wenn sie nicht ein edel Volk
vernimmt, sind mehr nicht als ein gewaltiger Schlag vor eine dumpfe
Stirne, und hohe Worte, wenn sie nicht in hohen Herzen
wiedert&#x00F6;nen, sind, wie ein sterbend Blatt, das in den Koth
herunterrauscht. Was willst du nun?</par>
            <par>
Ich will, sagt' ich, die Schaufel nehmen und den Koth in eine Grube
werfen. Ein Volk, wo Geist und Gr&#x00F6;&#x00DF;e keinen Geist und
keine Gr&#x00F6;&#x00DF;e mehr erzeugt, hat nichts mehr gemein, mit
andern, die noch Men- schen sind, hat keine Rechte mehr, und es ist
ein leeres Possenspiel, ein Aberglauben, wenn man solche willenlose
Leichname noch ehren will, als w&#x00E4;r' ein R&#x00F6;merherz in
ihnen. Weg mit ihnen! Er darf nicht stehen, wo er steht, der
d&#x00FC;rre faule Baum, er stiehlt ja Licht und Luft dem jungen
Leben, das f&#x00FC;r eine neue Welt heranreift.</par>
            <par>
Alabanda flog auf mich zu, umschlang mich, und seine K&#x00FC;sse
giengen mir in die Seele. Waffenbruder! rief er, lieber Waffenbruder! 
o nun hab' ich hundert Arme!</par>
            <par>
Das ist endlich einmal meine Melodie, fuhr er fort, mit einer Stimme,
die, wie ein Schlachtruf, mir das Herz bewegte, mehr braucht's nicht! 
Du hast ein herrlich Wort gesprochen, Hyperion!  Was? vom Wurme soll
der Gott abh&#x00E4;ngen? Der Gott in uns, dem die Unendlichkeit zur
Bahn sich &#x00F6;ffnet, soll stehn und harren, bis der Wurm ihm aus
dem Wege geht? Nein! nein! Man fr&#x00E4;gt nicht, ob ihr wollt! Ihr
wollt ja nie, ihr Knechte und Barbaren! Euch will man auch nicht
bessern, denn es ist umsonst! man will nur daf&#x00FC;r sorgen,
da&#x00DF; ihr dem Siegeslauf der Menschheit aus dem Wege geht. O! 
z&#x00FC;nde mir einer die Fakel an, da&#x00DF; ich das Unkraut von
der Haide brenne! die Mine bereite mir einer, da&#x00DF; ich die
tr&#x00E4;gen Kl&#x00F6;ze aus der Erde sprenge!</par>
            <par>
Wo m&#x00F6;glich, lehnt man sanft sie auf die Seite, fiel ich ein.</par>
            <par>
Alabanda schwieg eine Weile.</par>
            <par>
Ich habe meine Lust an der Zukunft, begann er endlich wieder, und
fa&#x00DF;te feurig meine beeden H&#x00E4;nde. Gott sey Dank! ich
werde kein gemeines Ende nehmen. Gl&#x00FC;klich seyn, hei&#x00DF;t
schl&#x00E4;frig seyn im Munde der Knechte. Gl&#x00FC;klich seyn! mir
ist, als h&#x00E4;tt' ich Brei und laues Wasser auf der Zunge, wenn
ihr mir sprecht von gl&#x00FC;klich seyn.  So albern und so heillos
ist das alles, wof&#x00FC;r ihr hingebt eure Lorbeerkronen, eure
Unsterblichkeit.</par>
            <par>
O heiliges Licht, das ruhelos, in seinem ungeheuren Reiche wirksam,
dort oben &#x00FC;ber uns wandelt, und seine Seele auch mir mittheilt,
in den Stralen, die ich trinke, dein Gl&#x00FC;k sey meines!</par>
            <par>
Von ihren Thaten n&#x00E4;hren die S&#x00F6;hne der Sonne sich; sie
leben vom Sieg; mit eignem Geist ermuntern sie sich, und ihre Kraft
ist ihre Freude. -</par>
            <par>
Der Geist dieses Menschen fa&#x00DF;te einen oft an, da&#x00DF; man
sich h&#x00E4;tte sch&#x00E4;men m&#x00F6;gen, so federleicht
hinweggerissen f&#x00FC;hlte man sich.</par>
            <par>
O Himmel und Erde! rief ich, das ist Freude! - Das sind andre Zeiten,
das ist kein Ton aus meinem kindischen Jahrhundert, das ist nicht der
Boden, wo das Herz des Menschen unter seines Treibers Peitsche
keucht. - Ja! ja! bei deiner herrlichen Seele, Mensch! Du wirst mit
mir das Vaterland erretten.</par>
            <par>
Das will ich, rief er, oder untergehn.</par>
            <par>
Von diesem Tag an wurden wir uns immer heiliger und lieber. Tiefer
unbeschreiblicher Ernst war unter uns gekommen. Aber wir waren nur um
so seeliger zusammen. Nur in den ewigen Grundt&#x00F6;nen seines
Wesens lebte jeder, und schmuklos schritten wir fort von einer
gro&#x00DF;en Harmonie zur andern. Voll herrlicher Strenge und
K&#x00FC;hnheit war unser gemeinsames Leben.</par>
            <par>
Wie bist du denn so wortarm geworden? fragte mich einmal Alabanda mit
L&#x00E4;cheln. In den hei&#x00DF;en Zonen, sagt' ich, n&#x00E4;her
der Sonne, singen ja auch die V&#x00F6;gel nicht.</par>
            <par>
Aber es geht alles auf und unter in der Welt, und es h&#x00E4;lt der
Mensch mit aller seiner Riesenkraft nichts fest. Ich sah' einmal ein
Kind die Hand ausstreken, um das Mondlicht zu haschen; aber das Licht
gieng ruhig weiter seine Bahn. So stehn wir da, und ringen, das
wandelnde Schiksaal anzuhalten.</par>
            <par>
O wer ihm nur so still und sinnend, wie dem Gange der Sterne, zusehn
k&#x00F6;nnte!</par>
            <par>
Je gl&#x00FC;klicher du bist, um so weniger kostet es, dich zu Grunde
zu richten, und die seeligen Tage, wie Alabanda und ich sie lebten,
sind wie eine j&#x00E4;he Felsenspize, wo dein Reisegef&#x00E4;hrte
nur dich anzur&#x00FC;hren braucht, um unabsehlich, &#x00FC;ber die
schneidenden Zaken hinab, dich in die d&#x00E4;mmernde Tiefe zu
st&#x00FC;rzen.</par>
            <par>
Wir hatten eine herrliche Fahrt nach Chios gemacht, hatten tausend
Freude an uns gehabt. Wie L&#x00FC;ftchen &#x00FC;ber die
Meeresfl&#x00E4;che, walteten &#x00FC;ber uns die freundlichen Zauber
der Natur. Mit freudigem Staunen sah einer den andern, ohne ein Wort
zu sprechen, aber das Auge sagte, so hab' ich dich nie gesehen! So
verherrlicht waren wir von den Kr&#x00E4;ften der Erde und des
Himmels.</par>
            <par>
Wir hatten dann auch mit heitrem Feuer uns &#x00FC;ber manches ge-
stritten, w&#x00E4;hrend der Fahrt; ich hatte, wie sonst, auch
di&#x00DF;mal wieder meines Herzens Freude daran gehabt, diesem Geist
auf seiner k&#x00FC;hnen Irrbahn zuzusehn, wo er so regellos, so in
ungebundner Fr&#x00F6;hlichkeit, und doch meist so sicher seinen Weg
verfolgte.</par>
            <par>
Wir eilten, wie wir ausgestiegen waren, allein zu seyn.</par>
            <par>
Du kannst niemand &#x00FC;berzeugen, sagt' ich jezt mit inniger Liebe,
du &#x00FC;berredest, du bestichst die Menschen, ehe du
anf&#x00E4;ngst; man kann nicht zweifeln, wenn du sprichst, und wer
nicht zweifelt, wird nicht &#x00FC;berzeugt.</par>
            <par>
Stolzer Schmeichler, rief er daf&#x00FC;r, du l&#x00FC;gst! aber
gerade recht, da&#x00DF; du mich mahnst! nur zu oft hast du schon mich
unvern&#x00FC;nftig gemacht! Um alle Kronen m&#x00F6;cht' ich von dir
mich nicht befreien, aber es &#x00E4;ngstiget denn doch mich oft,
da&#x00DF; du mir so unentbehrlich seyn sollst, da&#x00DF; ich so
gefesselt bin an dich; und sieh, fuhr er fort, da&#x00DF; du ganz mich
hast, sollst du auch alles von mir wissen! wir dachten bisher unter
all' der Herrlichkeit und Freude nicht daran, uns nach Vergangenem
umzusehen.</par>
            <par>
Er erz&#x00E4;hlte mir nun sein Schiksaal; mir war dabei, als
s&#x00E4;h' ich einen jungen Herkules mit der Meg&#x00E4;ra im Kampfe.</par>
            <par>
Wirst du mir jezt verzeihen, schlo&#x00DF; er die Erz&#x00E4;hlung
seines Ungemachs, wirst du jezt ruhiger seyn, wenn ich oft rauh bin
und anst&#x00F6;&#x00DF;ig und unvertr&#x00E4;glich!</par>
            <par>
O stille, stille! rief ich innigst bewegt; aber da&#x00DF; du noch da
bist, da&#x00DF; du dich erhieltest f&#x00FC;r mich!</par>
            <par>
Ja wohl! f&#x00FC;r dich! rief er, und es freut mich herzlich,
da&#x00DF; ich dir denn doch genie&#x00DF;bare Kost bin. Und schmek'
ich auch, wie ein Holzapfel, dir zuweilen, so keltre mich so lange,
bis ich trinkbar bin.</par>
            <par>
La&#x00DF; mich! la&#x00DF; mich! rief ich; ich str&#x00E4;ubte mich
umsonst; der Mensch machte mich zum Kinde; ich verbarg's ihm auch
nicht; er sah meine Thr&#x00E4;nen, und weh ihm, wenn er sie nicht
sehen durfte!</par>
            <par>
Wir schwelgen, begann nun Alabanda wieder, wir t&#x00F6;dten im
Rausche die Zeit.</par>
            <par>
Wir haben unsre Br&#x00E4;utigamstage zusammen, rief ich erheitert, da
darf es wohl noch lauten, als w&#x00E4;re man in Arkadien. - Aber auf
unser vorig Gespr&#x00E4;ch zu kommen!</par>
            <par>
Du r&#x00E4;umst dem Staate denn doch zu viel Gewalt ein. Er darf
nicht fordern, was er nicht erzwingen kann. Was aber die Liebe giebt
und der Geist, das l&#x00E4;&#x00DF;t sich nicht erzwingen. Das lass'
er unangetastet, oder man nehme sein Gesez und schlag' es an den
Pranger! Beim Himmel! der wei&#x00DF; nicht, was er s&#x00FC;ndigt,
der den Staat zur Sitten- schule machen will. Immerhin hat das den
Staat zur H&#x00F6;lle gemacht, da&#x00DF; ihn der Mensch zu seinem
Himmel machen wollte.</par>
            <par>
Die rauhe H&#x00FC;lse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist
der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Fr&#x00FC;chte
und Blumen.</par>
            <par>
Aber was hilft die Mauer um den Garten, wo der Boden d&#x00FC;rre
liegt?  Da hilft der Regen vom Himmel allein.</par>
            <par>
O Regen vom Himmel! o Begeisterung! Du wirst den Fr&#x00FC;hling der
V&#x00F6;lker uns wiederbringen. Dich kann der Staat nicht
hergebieten. Aber er st&#x00F6;re dich nicht, so wirst du kommen,
kommen wirst du, mit deinen allm&#x00E4;chtigen Wonnen, in goldne
Wolken wirst du uns h&#x00FC;llen und empor uns tragen &#x00FC;ber die
Sterblichkeit, und wir werden staunen und fragen, ob wir es noch
seyen, wir, die D&#x00FC;rftigen, die wir die Sterne fragten, ob dort
uns ein Fr&#x00FC;hling bl&#x00FC;he - fr&#x00E4;gst du mich, wann
di&#x00DF; seyn wird? Dann, wann die Lieblingin der Zeit, die
j&#x00FC;ngste, sch&#x00F6;nste Tochter der Zeit, die neue Kirche,
hervorgehn wird aus diesen beflekten veralteten Formen, wann das
erwachte Gef&#x00FC;hl des G&#x00F6;ttlichen dem Menschen seine
Gottheit, und seiner Brust die sch&#x00F6;ne Jugend wiederbringen
wird, wann - ich kann sie nicht verk&#x00FC;nden, denn ich ahne sie
kaum, aber sie k&#x00F6;mmt gewi&#x00DF;, gewi&#x00DF;. Der Tod ist
ein Bote des Lebens, und da&#x00DF; wir jezt schlafen in unsern
Krankenh&#x00E4;usern, di&#x00DF; zeugt vom nahen gesunden
Erwachen. Dann, dann erst sind wir, dann ist das Element der Geister
gefunden!</par>
            <par>
Alabanda schwieg, und sah eine Weile erstaunt mich an. Ich war
hingerissen von unendlichen Hoffnungen; G&#x00F6;tterkr&#x00E4;fte
trugen, wie ein W&#x00F6;lkchen, mich fort -</par>
            <par>
Komm! rief ich, und fa&#x00DF;t' Alabanda beim Gewande, komm, wer
h&#x00E4;lt es l&#x00E4;nger aus im Kerker, der uns umnachtet?</par>
            <par>
Wohin, mein Schw&#x00E4;rmer, erwiedert' Alabanda troken, und ein
Schatte von Spott schien &#x00FC;ber sein Gesicht zu gleiten.</par>
            <par>
Ich war, wie aus den Wolken gefallen. Geh! sagt' ich, du bist ein
kleiner Mensch!</par>
            <par>
In demselben Augenblike traten etliche Fremden in's Zimmer,
auffallende Gestalten, meist hager und bla&#x00DF;, so viel ich im
Mondlicht sehen konnte, ruhig, aber in ihren Mienen war etwas, das in
die Seele gieng, wie ein Schwert, und es war, als st&#x00FC;nde man
vor der Allwissen- heit; man h&#x00E4;tte gezweifelt, ob di&#x00DF;
die Au&#x00DF;enseite w&#x00E4;re von bed&#x00FC;rf- tigen Naturen,
h&#x00E4;tte nicht hie und da der get&#x00F6;dtete Affekt seine Spu-
ren zur&#x00FC;kgelassen.</par>
            <par>
Besonders einer fiel mir auf. Die Stille seiner Z&#x00FC;ge war die
Stille eines Schlachtfelds. Grimm und Liebe hatt' in diesem Menschen
gerast, und der Verstand leuchtete &#x00FC;ber den Tr&#x00FC;mmern des
Gem&#x00FC;ths, wie das Auge eines Habichts, der auf zerst&#x00F6;rten
Pall&#x00E4;sten sizt. Tiefe Verachtung war auf seinen Lippen. Man
ahnete, da&#x00DF; dieser Mensch mit keiner unbedeutenden Absicht sich
befasse.</par>
            <par>
Ein andrer mochte seine Ruhe mehr einer nat&#x00FC;rlichen
Herzensh&#x00E4;rte danken. Man fand an ihm fast keine Spur einer
Gewaltsamkeit, von Selbstmacht oder Schiksaal ver&#x00FC;bt.</par>
            <par>
Ein dritter mochte seine K&#x00E4;lte mehr mit der Kraft der
&#x00DC;berzeugung dem Leben abgedrungen haben, und wohl noch oft im
Kampfe mit sich stehen, denn es war ein geheimer Widerspruch in seinem
Wesen, und es schien mir, als m&#x00FC;&#x00DF;t' er sich bewachen. Er
sprach am wenigsten.</par>
            <par>
Alabanda sprang auf, wie gebogner Stahl, bei ihrem Eintritt.</par>
            <par>
Wir suchten dich, rief einer von ihnen.</par>
            <par>
Ihr w&#x00FC;rdet mich finden, sagt' er lachend, wenn ich in den
Mittelpunkt der Erde mich verb&#x00E4;rge. Sie sind meine Freunde,
sezt' er hinzu, inde&#x00DF; er zu mir sich wandte.</par>
            <par>
Sie schienen mich ziemlich scharf in's Auge zu fassen.</par>
            <par>
Das ist auch einer von denen, die es gerne besser haben m&#x00F6;chten
in der Welt, rief Alabanda nach einer Weile, und wies auf mich.</par>
            <par>
Das ist dein Ernst? fragt' einer mich von den Dreien.</par>
            <par>
Es ist kein Scherz, die Welt zu bessern, sagt' ich.</par>
            <par>
Du hast viel mit einem Worte gesagt! rief wieder einer von ihnen.  Du
bist unser Mann! ein andrer.</par>
            <par>
Ihr denkt auch so? fragt' ich.</par>
            <par>
Frage, was wir thun! war die Antwort.</par>
            <par>
Und wenn ich fragte?</par>
            <par>
So w&#x00FC;rden wir dir sagen, da&#x00DF; wir da sind,
aufzur&#x00E4;umen auf Erden, da&#x00DF; wir die Steine vom Aker
lesen, und die harten Erdenkl&#x00F6;se mit dem Karst zerschlagen, und
Furchen graben mit dem Pflug, und das Unkraut an der Wurzel fassen, an
der Wurzel es durchschneiden, samt der Wurzel es ausrei&#x00DF;en,
da&#x00DF; es verdorre im Sonnenbrande.</par>
            <par>
Nicht, da&#x00DF; wir erndten m&#x00F6;chten, fiel ein andrer ein; uns
k&#x00F6;mmt der Lohn zu sp&#x00E4;t; uns reift die Erndte nicht mehr.</par>
            <par>
Wir sind am Abend unsrer Tage. Wir irrten oft, wir hofften viel und
thaten wenig. Wir wagten lieber, als wir uns besannen. Wir waren gerne
bald am Ende und trauten auf das Gl&#x00FC;k. Wir sprachen viel von
Freude und Schmerz, und liebten, ha&#x00DF;ten beide. Wir spielten mit
dem Schiksaal und es that mit uns ein Gleiches. Vom Bettelstabe bis
zur Krone warf es uns auf und ab. Es schwang uns, wie man ein
gl&#x00FC;hend Rauchfa&#x00DF; schwingt, und wir gl&#x00FC;hten, bis
die Kohle zu Asche ward. Wir haben aufgeh&#x00F6;rt von Gl&#x00FC;k
und Misgeschik zu sprechen.  Wir sind emporgewachsen &#x00FC;ber die
Mitte des Lebens, wo es gr&#x00FC;nt und warm ist. Aber es ist nicht
das Schlimmste, was die Jugend &#x00FC;ber- lebt. Aus hei&#x00DF;em
Metalle wird das kalte Schwert geschmiedet. Auch sagt man, auf
verbrannten abgestorbenen Vulkanen gedeihe kein schlechter Most.</par>
            <par>
Wir sagen das nicht um unsertwillen, rief ein anderer jezt etwas
rascher, wir sagen es um euertwillen! Wir betteln um das Herz des
Menschen nicht. Denn wir bed&#x00FC;rfen seines Herzens, seines
Willens nicht. Denn er ist in keinem Falle wider uns, denn es ist
alles f&#x00FC;r uns, und die Thoren und die Klugen und die
Einf&#x00E4;ltigen und die Weisen und alle Laster und alle Tugenden
der Rohheit und der Bildung stehen, ohne gedungen zu seyn, in unsrem
Dienst, und helfen blindlings mit zu unsrem Ziel - nur
w&#x00FC;nschten wir, es h&#x00E4;tte jemand den Genu&#x00DF; davon,
drum suchen wir unter den tausend blinden Geh&#x00FC;lfen die besten
uns aus, um sie zu sehenden Geh&#x00FC;lfen zu machen - will aber
niemand wohnen, wo wir bauten, unsre Schuld und unser Schaden ist es
nicht. Wir thaten, was das unsre war. Will niemand sammeln, wo wir
pfl&#x00FC;gten, wer verargt es uns? Wer flucht dem Baume, wenn sein
Apfel in den Sumpf f&#x00E4;llt? Ich hab's mir oft gesagt, du opferst
der Verwesung, und ich endete mein Tagwerk doch.</par>
            <par>
Das sind Betr&#x00FC;ger! riefen alle W&#x00E4;nde meinem
empfindlichen Sinne zu. Mir war, wie einem, der im Rauch erstiken
will, und Th&#x00FC;ren und Fenster einst&#x00F6;&#x00DF;t, um sich
hinauszuhelfen, so d&#x00FC;rstet' ich nach Luft und Freiheit.</par>
            <par>
Sie sahn auch bald, wie unheimlich mir zu Muthe war, und brachen
ab. Der Tag graute schon, da ich aus dem Khan trat, wo wir waren
beisammen gewesen. Ich f&#x00FC;hlte das Wehen der Morgenluft, wie
Balsam an einer brennenden Wunde.</par>
            <par>
Ich war durch Alabanda's Spott schon zu sehr gereizt, um nicht durch
seine r&#x00E4;thselhafte Bekanntschaft vollends irre zu werden an
ihm.</par>
            <par>
Er ist schlecht, rief ich, ja, er ist schlecht. Er heuchelt
gr&#x00E4;nzenlos Vertrauen und lebt mit solchen - und verbirgt es
dir.</par>
            <par>
Mir war, wie einer Braut, wenn sie erf&#x00E4;hrt, da&#x00DF; ihr
Geliebter insgeheim mit einer Dirne lebe.</par>
            <par>
O es war der Schmerz nicht, den man hegen mag, den man am Herzen
tr&#x00E4;gt, wie ein Kind, und in Schlummer singt mit T&#x00F6;nen
der Nachtigall!</par>
            <par>
Wie eine ergrimmte Schlange, wenn sie unerbittlich herauff&#x00E4;hrt
an den Knieen und Lenden, und alle Glieder umklammert, und nun in die
Brust die giftigen Z&#x00E4;hne schl&#x00E4;gt und nun in den Naken,
so war mein Schmerz, so fa&#x00DF;t' er mich in seine
f&#x00FC;rchterliche Umarmung.  Ich nahm mein h&#x00F6;chstes Herz zu
H&#x00FC;lfe, und rang nach gro&#x00DF;en Gedanken, um noch stille zu
halten, es gelang mir auch auf wenige Augenblike, aber nun war ich
auch zum Zorne gest&#x00E4;rkt, nun t&#x00F6;dtet' ich auch, wie
eingelegtes Feuer, jeden Funken der Liebe in mir.</par>
            <par>
Er mu&#x00DF; ja, dacht' ich, das sind ja seine Menschen, er
mu&#x00DF; verschworen seyn mit diesen, gegen dich! Was wollt er auch
von dir?  Was konnt' er suchen bei dir, dem Schw&#x00E4;rmer? O
w&#x00E4;r' er seiner Wege gegangen! Aber sie haben ihren eigenen
Gelust, sich an ihr Gegentheil zu machen! so ein fremdes Thier im
Stalle zu haben, l&#x00E4;&#x00DF;t ihnen gar gut! -</par>
            <par>
Und doch war ich unaussprechlich gl&#x00FC;klich gewesen mit ihm, war
so oft untergegangen in seinen Umarmungen, um aus ihnen zu erwachen
mit Un&#x00FC;berwindlichkeit in der Brust, wurde so oft
geh&#x00E4;rtet und gel&#x00E4;utert in seinem Feuer, wie Stahl!</par>
            <par>
Da ich einst in heitrer Mitternacht die Dioskuren ihm wies, und
Alabanda die Hand auf's Herz mir legt' und sagte: Das sind nur Sterne,
Hyperion, nur Buchstaben, womit der Nahme der Heldenbr&#x00FC;der am
Himmel geschrieben ist; in uns sind sie! lebendig und wahr, mit ihrem
Muth und ihrer g&#x00F6;ttlichen Liebe, und du, du bist der
G&#x00F6;t- tersohn, und theilst mit deinem sterblichen Kastor deine
Unsterb- lichkeit! -</par>
            <par>
Da ich die W&#x00E4;lder des Ida mit ihm durchstreifte, und wir
herunterkamen in's Thal, um da die schweigenden Grabh&#x00FC;gel nach
ihren Todten zu fragen, und ich zu Alabanda sagte, da&#x00DF; unter
den Grabh&#x00FC;geln einer vieleicht dem Geist Achills und seines
Geliebten angeh&#x00F6;re, und Alabanda mir vertraute, wie er oft ein
Kind sey und sich denke, da&#x00DF; wir einst in Einem Schlachtthal
fallen und zusammen ruhen werden unter Einem Baum - wer h&#x00E4;tte
damals das gedacht?</par>
            <par>
Ich sann mit aller Kraft des Geistes, die mir &#x00FC;brig war, ich
klagt' ihn an, verteidigt' ihn, und klagt' ihn wieder um so bittrer
an; ich widerstrebte meinem Sinne, wollte mich erheitern, und
verfinsterte mich nur ganz dadurch.</par>
            <par>
Ach! mein Auge war ja von so manchem Faustschlag wund gewe- sen, fieng
ja kaum zu heilen an, wie sollt' es jezt gesundere Blike tun?</par>
            <par>
Alabanda besuchte mich den andern Tag. Mein Herz kochte, wie er
hereintrat, aber ich hielt mich, so sehr sein Stolz und seine Ruhe
mich aufregt' und erhizte.</par>
            <par>
Die Luft ist herrlich, sagt' er endlich, und der Abend wird sehr
sch&#x00F6;n seyn, la&#x00DF; uns zusammen auf die Akropolis gehn!</par>
            <par>
Ich nahm es an. Wir sprachen lange kein Wort. Was willst du?  fragt'
ich endlich.</par>
            <par>
Das kannst du fragen? erwiederte der wilde Mensch mit einer Wehmuth,
die mir durch die Seele gieng. Ich war betroffen, verwirrt.</par>
            <par>
Was soll ich von dir denken? fieng ich endlich wieder an.</par>
            <par>
Das, was ich bin! erwiedert' er gelassen.</par>
            <par>
Du brauchst Entschuldigung, sagt' ich mit ver&#x00E4;nderter Stimme,
und sah mit Stolz ihn an, entschuldige dich! reinige dich!</par>
            <par>
Das war zuviel f&#x00FC;r ihn.</par>
            <par>
Wie kommt es denn, rief er entr&#x00FC;stet, da&#x00DF; dieser Mensch
mich beugen soll, wie's ihm gef&#x00E4;llt? - Es ist auch wahr, ich
war zu fr&#x00FC;h entlassen aus der Schule, ich hatte alle Ketten
geschleift und alle zerrissen, nur Eine fehlte noch, nur eine war noch
zu zerbrechen, ich war noch nicht gez&#x00FC;chtiget von einem
Grillenf&#x00E4;nger - murre nur!  ich habe lange genug
geschwiegen!</par>
            <par>
O Alabanda! Alabanda! rief ich.</par>
            <par>
Schweig, erwiedert' er, und brauche meinen Nahmen nicht zum Dolche
gegen mich!</par>
            <par>
Nun brach auch mir der Unmuth vollends los. Wir ruhten nicht, bis eine
R&#x00FC;kkehr fast unm&#x00F6;glich war. Wir zerst&#x00F6;rten mit
Gewalt den Garten unsrer Liebe. Wir standen oft und schwiegen, und
w&#x00E4;ren uns so gerne, so mit tausend Freuden um den Hals
gefallen, aber der unseelige Stolz erstikte jeden Laut der Liebe, der
vom Herzen aufstieg.</par>
            <par>
Leb wohl! rief ich endlich, und st&#x00FC;rzte
fort. Unwillk&#x00FC;hrlich mu&#x00DF;t' ich mich umsehn,
unwillk&#x00FC;hrlich war mir Alabanda gefolgt.</par>
            <par>
Nicht wahr, Alabanda, rief ich ihm zu, das ist ein sonderbarer
Bettler? seinen lezten Pfenning wirft er in den Sumpf!</par>
            <par>
Wenn's das ist, mag er auch verhungern, rief er, und gieng.</par>
            <par>
Ich wankte sinnlos weiter, stand nun am Meer' und sahe die Wellen an -
ach! da hinunter strebte mein Herz, da hinunter, und meine Arme flogen
der freien Fluth entgegen; aber bald kam, wie vom Himmel, ein
sanfterer Geist &#x00FC;ber mich, und ordnete mein unb&#x00E4;ndig
leidend Gem&#x00FC;th mit seinem ruhigen Stabe; ich &#x00FC;berdachte
stiller mein Schiksaal, meinen Glauben an die Welt, meine trostlosen
Erfahrungen, ich betrachtete den Menschen, wie ich ihn empfunden und
erkannt von fr&#x00FC;her Jugend an, in mannigfaltigen Erziehungen,
fand &#x00FC;berall dumpfen oder schreienden Mislaut, nur in
kindlicher einf&#x00E4;ltiger Beschr&#x00E4;nkung fand ich noch die
reinen Melodien - es ist besser, sagt' ich mir, zur Biene zu werden
und sein Haus zu bauen in Unschuld, als zu herrschen mit den Herren
der Welt, und wie mit W&#x00F6;lfen, zu heulen mit ihnen, als
V&#x00F6;lker zu meistern, und an dem un- reinen Stoffe sich die
H&#x00E4;nde zu befleken; ich wollte nach Tina zur&#x00FC;k, um meinen
G&#x00E4;rten und Feldern zu leben.</par>
            <par>
L&#x00E4;chle nur! Mir war es sehr Ernst. Bestehet ja das Leben der
Welt im Wechsel des Entfaltens und Verschlie&#x00DF;ens, in Ausflug
und in R&#x00FC;kkehr zu sich selbst, warum nicht auch das Herz des
Menschen?</par>
            <par>
Freilich gieng die neue Lehre mir hart ein, freilich schied ich ungern
von dem stolzen Irrtum meiner Jugend - wer rei&#x00DF;t auch gerne die
Fl&#x00FC;gel sich aus? - aber es mu&#x00DF;te ja so seyn!</par>
            <par>
Ich sezt' es durch. Ich war nun wirklich eingeschifft. Ein frischer
Bergwind trieb mich aus dem Hafen von Smyrna. Mit einer wunderbaren
Ruhe, recht, wie ein Kind, das nichts vom n&#x00E4;chsten Augenblike
wei&#x00DF;, lag ich so da auf meinem Schiffe, und sah die
B&#x00E4;ume und Moskeen dieser Stadt an, meine gr&#x00FC;nen
G&#x00E4;nge an dem Ufer, meinen Fu&#x00DF;steig zur Akropolis hinauf,
das sah ich an, und lie&#x00DF; es weiter gehn und immer weiter; wie
ich aber nun auf's hohe Meer hinauskam, und alles nach und nach
hinabsank, wie ein Sarg in's Grab, da mit einmal war es auch, als
w&#x00E4;re mein Herz gebrochen - o Himmel!  schrie ich, und alles
Leben in mir erwacht' und rang, die fliehende Gegenwart zu halten,
aber sie war dahin, dahin!</par>
            <par>
Wie ein Nebel, lag das himmlische Land vor mir, wo ich, wie ein Reh
auf freier Waide, weit und breit die Th&#x00E4;ler und die
H&#x00F6;hen hatte durchstreift, und das Echo meines Herzens zu den
Quellen und Str&#x00F6;men, in die Fernen und die Tiefen der Erde
gebracht.</par>
            <par>
Dort hinein auf den Tmolus war ich gegangen in einsamer Un- schuld;
dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner gl&#x00FC;klichen Ju-
gend und Teos und Milet, dort hinauf in's heilige trauernde Troas war
ich mit Alabanda gewandert, mit Alabanda, und, wie ein Gott, hatt' ich
geherrscht &#x00FC;ber ihn, und, wie ein Kind, z&#x00E4;rtlich und
glaubig, hatt' ich seinem Auge gedient, mit Seelenfreude, mit innigem
frohlokendem Genusse seines Wesens, immer gl&#x00FC;klich, wenn ich
seinem Rosse den Zaum hielt, oder wenn ich, &#x00FC;ber mich selbst
erhoben, in herrlichen Entschl&#x00FC;ssen, in k&#x00FC;hnen Gedanken,
im Feuer der Rede seiner Seele begegnete!</par>
            <par>
Und nun war es dahin gekommen, nun war ich nichts mehr, war so heillos
um alles gebracht, war zum &#x00E4;rmsten unter den Menschen geworden,
und wu&#x00DF;te selbst nicht, wie.</par>
            <par>
O ewiges Irrsaal! dacht' ich bei mir, wann rei&#x00DF;t der Mensch aus
deinen Ketten sich los?</par>
            <par>
Wir sprechen von unsrem Herzen, unsern Planen, als w&#x00E4;ren sie
unser, und es ist doch eine fremde Gewalt, die uns herumwirft und in's
Grab legt, wie es ihr gef&#x00E4;llt, und von der wir nicht wissen,
von wannen sie kommt, noch wohin sie geht.</par>
            <par>
Wir wollen wachsen dahinauf, und dorthinaus die &#x00C4;ste und die
Zweige breiten, und Boden und Wetter bringt uns doch, wohin es geht,
und wenn der Bliz auf deine Krone f&#x00E4;llt, und bis zur Wurzel
dich hinunterspaltet, armer Baum! was geht es dich an?</par>
            <par>
So dacht' ich. &#x00C4;rgerst du dich daran, mein Bellarmin! Du wirst
noch andere Dinge h&#x00F6;ren.</par>
            <par>
Das eben, Lieber! ist das Traurige, da&#x00DF; unser Geist so gerne
die Gestalt des irren Herzens annimmt, so gerne die
vor&#x00FC;berfliehende Trauer festh&#x00E4;lt, da&#x00DF; der
Gedanke, der die Schmerzen heilen sollte, selber krank wird,
da&#x00DF; der G&#x00E4;rtner an den Rosenstr&#x00E4;uchen, die er
pflanzen sollte, sich die Hand so oft zerrei&#x00DF;t, o! das hat
manchen zum Thoren gemacht vor andern, die er sonst, wie ein Orpheus,
h&#x00E4;tte beherrscht, das hat so oft die edelste Natur zum Spott
gemacht vor Menschen, wie man sie auf jeder Stra&#x00DF;e findet, das
ist die Klippe f&#x00FC;r die Lieblinge des Himmels, da&#x00DF; ihre
Liebe m&#x00E4;chtig ist und zart, wie ihr Geist, da&#x00DF; ihres
Herzens Woogen st&#x00E4;rker oft und schneller sich regen, wie der
Trident, womit der Meergott sie beherrscht, und darum, Lieber!
&#x00FC;berhebe ja sich keiner.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Kannst du es h&#x00F6;ren, wirst du es begreifen, wenn ich dir von
meiner langen kranken Trauer sage?</par>
            <par>
Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, da&#x00DF; es besser ist zu
sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt! Neide die
Leidensfreien nicht, die G&#x00F6;zen von Holz, denen nichts mangelt,
weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und
Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bed&#x00FC;rfte.</par>
            <par>
Ja! ja! es ist recht sehr leicht, gl&#x00FC;klich, ruhig zu seyn mit
seichtem Herzen und eingeschr&#x00E4;nktem Geiste. G&#x00F6;nnen kann
man's euch; wer ereifert sich denn, da&#x00DF; die bretterne Scheibe
nicht wehklagt, wenn der Pfeil sie trift, und da&#x00DF; der hohle
Topf so dumpf klingt, wenn ihn einer an die Wand wirft?</par>
            <par>
Nur m&#x00FC;&#x00DF;t ihr euch bescheiden, lieben Leute,
m&#x00FC;&#x00DF;t ja in aller Stille euch wundern, wenn ihr nicht
begreift, da&#x00DF; andre nicht auch so gl&#x00FC;klich, auch so
selbstgen&#x00FC;gsam sind, m&#x00FC;&#x00DF;t ja euch h&#x00FC;ten,
eure Weisheit zum Gesez zu machen, denn das w&#x00E4;re der Welt Ende,
wenn man euch gehorchte.</par>
            <par>
Ich lebte nun sehr still, sehr anspruchslos in Tina. Ich lie&#x00DF;
auch wirklich die Erscheinungen der Welt vor&#x00FC;berziehn, wie
Nebel im Herbste, lachte manchmal auch mit nassen Augen &#x00FC;ber
mein Herz, wenn es hinzuflog, um zu naschen, wie der Vogel nach der
gemalten Traube, und blieb still und freundlich dabei.</par>
            <par>
Ich lie&#x00DF; nun jedem gerne seine Meinung, seine Unart. Ich war
bekehrt, ich wollte niemand mehr bekehren, nur war mir traurig, wenn
ich sah, da&#x00DF; die Menschen glaubten, ich lasse darum ihr
Possenspiel unangetastet, weil ich es so hoch und theuer achte, wie
sie. Ich mochte nicht gerade ihrer Albernheit mich unterwerfen, doch
sucht' ich sie zu schonen, wo ich konnte. Das ist ja ihre Freude,
dacht' ich, davon leben sie ja!</par>
            <par>
Oft lie&#x00DF; ich sogar mir gefallen, mitzumachen, und wenn ich noch
so seelenlos, so ohne eignen Trieb dabei war, das merkte keiner, da
vermi&#x00DF;te keiner nichts, und h&#x00E4;tt' ich gesagt, sie
m&#x00F6;chten mir's verzeihen, so w&#x00E4;ren sie dagestanden und
h&#x00E4;tten sich verwundert und gefragt: was hast du denn uns
gethan? Die Nachsichtigen!</par>
            <par>
Oft, wenn ich des Morgens dastand unter meinem Fenster und der
gesch&#x00E4;ftige Tag mir entgegenkam, konnt' auch ich mich
augenbliklich vergessen, konnte mich umsehn, als m&#x00F6;cht' ich
etwas vornehmen, woran mein Wesen seine Lust noch h&#x00E4;tte, wie
ehmals, aber da schalt ich mich, da besann ich mich, wie einer, dem
ein Laut aus seiner Muttersprache entf&#x00E4;hrt, in einem Lande, wo
sie nicht verstanden wird - wohin, mein Herz? sagt' ich
verst&#x00E4;ndig zu mir selber und gehorchte mir.</par>
            <par>
Was ist's denn, da&#x00DF; der Mensch so viel will? fragt' ich oft;
was soll denn die Unendlichkeit in seiner Brust? Unendlichkeit? wo ist
sie denn? wer hat sie denn vernommen? Mehr will er, als er kann! das
m&#x00F6;chte wahr seyn! O! das hast du oft genug erfahren. Das ist
auch n&#x00F6;tig, wie es ist. Das giebt das s&#x00FC;&#x00DF;e,
schw&#x00E4;rmerische Gef&#x00FC;hl der Kraft, da&#x00DF; sie nicht
ausstr&#x00F6;mt, wie sie will, das eben macht die sch&#x00F6;nen
Tr&#x00E4;ume von Unsterblichkeit und all' die holden und die
kolossalischen Phantome, die den Menschen tausendfach entz&#x00FC;ken,
das schafft dem Menschen sein Elysium und seine G&#x00F6;tter,
da&#x00DF; seines Lebens Linie nicht gerad ausgeht, da&#x00DF; er
nicht hinf&#x00E4;hrt, wie ein Pfeil, und eine fremde Macht dem
Fliehenden in den Weg sich wirft.</par>
            <par>
Des Herzens Wooge sch&#x00E4;umte nicht so sch&#x00F6;n empor, und
w&#x00FC;rde Geist, wenn nicht der alte stumme Fels, das Schiksaal,
ihr entgegenst&#x00E4;nde.</par>
            <par>
Aber dennoch stirbt der Trieb in unserer Brust, und mit ihm unsre
G&#x00F6;tter und ihr Himmel.</par>
            <par>
Das Feuer geht empor in freudigen Gestalten, aus der dunkeln Wiege, wo
es schlief, und seine Flamme steigt und f&#x00E4;llt, und bricht sich
und umschlingt sich freudig wieder, bis ihr Stoff verzehrt ist, nun
raucht und ringt sie und erlischt; was &#x00FC;brig ist, ist Asche.</par>
            <par>
So geht's mit uns. Das ist der Inbegriff von allem, was in
schr&#x00F6;kendreizenden Mysterien die Weisen uns erz&#x00E4;hlen.</par>
            <par>
Und du? was fr&#x00E4;gst du dich? Da&#x00DF; so zuweilen etwas in dir
auff&#x00E4;hrt, und, wie der Mund des Sterbenden, dein Herz in Einem
Augenblike so gewaltsam dir sich &#x00F6;ffnet und verschlie&#x00DF;t,
das gerade ist das b&#x00F6;se Zeichen.</par>
            <par>
Sey nur still, und la&#x00DF; es seinen Gang gehn! k&#x00FC;nstle
nicht! versuche kindisch nicht, um eine Ehle l&#x00E4;nger dich zu
machen! - Es ist, als wolltest du noch eine Sonne schaffen, und neue
Z&#x00F6;glinge f&#x00FC;r sie, ein Erdenrund und einen Mond erzeugen.</par>
            <par>
So tr&#x00E4;umt' ich hin. Geduldig nahm ich nach und nach von allem
Abschied. - O ihr Genossen meiner Zeit! fragt eure &#x00C4;rzte nicht
und nicht die Priester, wenn ihr innerlich vergeht!</par>
            <par>
Ihr habt den Glauben an alles Gro&#x00DF;e verloren; so
m&#x00FC;&#x00DF;t, so m&#x00FC;&#x00DF;t ihr hin, wenn dieser Glaube
nicht wiederkehrt, wie ein Komet aus fremden Himmeln.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par> Es giebt ein Vergessen alles Daseyns, ein Verstummen
            unsers We- sens, wo uns ist, als h&#x00E4;tten wir alles
            gefunden.</par>
            <par>
Es giebt ein Verstummen, ein Vergessen alles Daseyns, wo uns ist, als
h&#x00E4;tten wir alles verloren, eine Nacht unsrer Seele, wo kein
Schimmer eines Sterns, wo nicht einmal ein faules Holz uns leuchtet.</par>
            <par>
Ich war nun ruhig geworden. Nun trieb mich nichts mehr auf um
Mitternacht. Nun sengt' ich mich in meiner eignen Flamme nicht
mehr.</par>
            <par>
Ich sah nun still und einsam vor mich hin, und schweift' in die
Vergangenheit und in die Zukunft mit dem Auge nicht. Nun
dr&#x00E4;ngte Fernes und Nahes sich in meinem Sinne nicht mehr; die
Menschen, wenn sie mich nicht zwangen, sie zu sehen, sah ich nicht.</par>
            <par>
Sonst lag oft, wie das ewigleere Fa&#x00DF; der Danaiden, vor meinem
Sinne di&#x00DF; Jahrhundert, und mit verschwenderischer Liebe
go&#x00DF; meine Seele sich aus, die L&#x00FC;ken auszuf&#x00FC;llen;
nun sah ich keine L&#x00FC;ke mehr, nun dr&#x00FC;kte mich des Lebens
Langeweile nicht mehr.</par>
            <par>
Nun sprach ich nimmer zu der Blume, du bist meine Schwester!  und zu
den Quellen, wir sind Eines Geschlechts! ich gab nun treulich, wie ein
Echo, jedem Dinge seinen Nahmen.</par>
            <par>
Wie ein Strom an d&#x00FC;rren Ufern, wo kein Weidenblatt im Wasser
sich spiegelt, lief unversch&#x00F6;nert vor&#x00FC;ber an mir die
Welt.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Es kann nichts wachsen und nichts so tief vergehen, wie der
Mensch. Mit der Nacht des Abgrunds vergleicht er oft sein Leiden und
mit dem Aether seine Seeligkeit, und wie wenig ist dadurch
gesagt?</par>
            <par>
Aber sch&#x00F6;ner ist nichts, als wenn es so nach langem Tode wieder
in ihm d&#x00E4;mmert, und der Schmerz, wie ein Bruder, der fernher
d&#x00E4;mmernden Freude entgegengeht.</par>
            <par>
O es war ein himmlisch Ahnen, womit ich jezt den kommenden
Fr&#x00FC;hling wieder begr&#x00FC;&#x00DF;te! Wie fernher in
schweigender Luft, wenn alles schl&#x00E4;ft, das Saitenspiel der
Geliebten, so umt&#x00F6;nten seine leisen Melodien mir die Brust, wie
von Elysium her&#x00FC;ber, vernahm ich seine Zukunft, wenn die todten
Zweige sich regten und ein lindes Wehen meine Wange
ber&#x00FC;hrte.</par>
            <par>
Holder Himmel Ioniens! so war ich nie an dir gehangen, aber so
&#x00E4;hnlich war dir auch nie mein Herz gewesen, wie damals, in
seinen heitern z&#x00E4;rtlichen Spielen. -</par>
            <par>
Wer sehnt sich nicht nach Freuden der Liebe und gro&#x00DF;en Thaten,
wenn im Auge des Himmels und im Busen der Erde der Fr&#x00FC;hling
wiederkehrt?</par>
            <par>
Ich erhob mich, wie vom Krankenbette, leise und langsam, aber von
geheimen Hoffnungen zitterte mir die Brust so seelig, da&#x00DF; ich
dr&#x00FC;ber verga&#x00DF;, zu fragen, was di&#x00DF; zu bedeuten
habe.</par>
            <par>
Sch&#x00F6;nere Tr&#x00E4;ume umfiengen mich jezt im Schlafe, und wenn
ich erwachte, waren sie mir im Herzen, wie die Spur eines Kusses auf
der Wange der Geliebten. O das Morgenlicht und ich, wir giengen nun
uns entgegen, wie vers&#x00F6;hnte Freunde, wenn sie noch etwas fremde
thun, und doch den nahen unendlichen Augenblik des Umarmens schon in
der Seele tragen.</par>
            <par>
Es that nun wirklich einmal wieder mein Auge sich auf, freilich, nicht
mehr, wie sonst, ger&#x00FC;stet und erf&#x00FC;llt mit eigner Kraft,
es war bittender geworden, es fleht' um Leben, aber es war mir im
Innersten doch, als k&#x00F6;nnt' es wieder werden mit mir, wie sonst,
und besser.</par>
            <par>
Ich sahe die Menschen wieder an, als sollt' auch ich wirken und mich
freuen unter ihnen. Ich schlo&#x00DF; mich wirklich herzlich
&#x00FC;berall an.</par>
            <par>
Himmel! wie war das eine Schadenfreude, da&#x00DF; der stolze
Sonderling nun Einmal war, wie ihrer einer, geworden! wie hatten sie
ihren Scherz daran, da&#x00DF; den Hirsch des Waldes der Hunger trieb,
in ihren H&#x00FC;hnerhof zu laufen! -</par>
            <par>
Ach! meinen Adamas sucht' ich, meinen Alabanda, aber es erschien mir
keiner.</par>
            <par>
Endlich schrieb ich auch nach Smyrna, und es war, als sammelt' alle
Z&#x00E4;rtlichkeit und alle Macht des Menschen in Einen Moment sich,
da ich schrieb; so schrieb ich dreimal, aber keine Antwort, ich
flehte, drohte, mahnt' an alle Stunden der Liebe und der
K&#x00FC;hnheit, aber keine Antwort von dem Unverge&#x00DF;lichen, bis
in den Tod geliebten - Alabanda! rief ich, o mein Alabanda! du hast
den Stab gebrochen &#x00FC;ber mich. Du hieltest mich noch aufrecht,
warst die lezte Hoffnung meiner Jugend! Nun will ich nichts mehr! nun
ist's heilig und gewi&#x00DF;!</par>
            <par>
Wir bedauern die Todten, als f&#x00FC;hlten sie den Tod, und die
Todten haben doch Frieden. Aber das, das ist der Schmerz, dem keiner
gleichk&#x00F6;mmt, das ist unaufh&#x00F6;rliches Gef&#x00FC;hl der
g&#x00E4;nzlichen Zernichtung, wenn unser Leben seine Bedeutung so
verliert, wenn so das Herz sich sagt, du mu&#x00DF;t hinunter und
nichts bleibt &#x00FC;brig von dir; keine Blume hast du gepflanzt,
keine H&#x00FC;tte gebaut, nur da&#x00DF; du sagen k&#x00F6;nntest:
ich lasse eine Spur zur&#x00FC;k auf Erden. Ach! und die Seele kann
immer so voll Sehnens seyn, bei dem, da&#x00DF; sie so muthlos ist!
</par>
            <par>
Ich suchte immer etwas, aber ich wagte das Auge nicht aufzuschlagen
vor den Menschen. Ich hatte Stunden, wo ich das Lachen eines Kindes
f&#x00FC;rchtete.</par>
            <par>
Dabei war ich meist sehr still und geduldig, hatte oft auch einen
wunderbaren Aberglauben an die Heilkraft mancher Dinge; von einer
Taube, die ich kaufte, von einer Kahnfahrt, von einem Thale, das die
Berge mir verbargen, konnt' ich Trost erwarten.</par>
            <par>
Genug! genug! w&#x00E4;r' ich mit Themistocles aufgewachsen,
h&#x00E4;tt' ich unter den Scipionen gelebt, meine Seele h&#x00E4;tte
sich wahrlich nie von dieser Seite kennen gelernt.</par>
          </text>
        </chapter>
        <chapter>
          <title>Hyperion an Bellarmin</title>
          <text>
            <par>
Zuweilen regte noch sich eine Geisteskraft in mir. Aber freilich nur
zerst&#x00F6;rend!</par>
            <par>
Was ist der Mensch? konnt' ich beginnen; wie kommt es, da&#x00DF; so
etwas in der Welt ist, das, wie ein Chaos, g&#x00E4;hrt, oder modert,
wie ein fauler Baum, und nie zu einer Reife gedeiht? Wie duldet diesen
Heerling die Natur bei ihren s&#x00FC;&#x00DF;en Trauben?</par>
            <par>
Zu den Pflanzen spricht er, ich war auch einmal, wie ihr! und zu den
reinen Sternen, ich will werden, wie ihr, in einer andren Welt!
inzwischen bricht er auseinander und treibt hin und wieder seine
K&#x00FC;nste mit sich selbst, als k&#x00F6;nnt' er, wenn es einmal
sich aufgel&#x00F6;st, Lebendiges zusammensezen, wie ein Mauerwerk;
aber es macht ihn auch nicht irre, wenn nichts gebessert wird durch
all sein Thun; es bleibt doch immerhin ein Kunstst&#x00FC;k, was er
treibt.</par>
            <par>
O ihr Armen, die ihr das f&#x00FC;hlt, die ihr auch nicht sprechen
m&#x00F6;gt von menschlicher Bestimmung, die ihr auch so durch und
durch ergriffen seyd vom Nichts, das &#x00FC;ber uns waltet, so
gr&#x00FC;ndlich einseht, da&#x00DF; wir geboren werden f&#x00FC;r
Nichts, da&#x00DF; wir lieben ein Nichts, glauben an's Nichts, uns
abarbeiten f&#x00FC;r Nichts, um m&#x00E4;lig &#x00FC;berzugehen in's
Nichts - was kann ich daf&#x00FC;r, da&#x00DF; euch die Knie brechen,
wenn ihr's ernstlich bedenkt? Bin ich doch auch schon manchmal
hingesunken in diesen Gedanken, und habe gerufen, was legst du die Axt
mir an die Wurzel, grausamer Geist? und bin noch da.</par>
            <par>
O einst, ihr finstern Br&#x00FC;der! war es anders. Da war es
&#x00FC;ber uns so sch&#x00F6;n, so sch&#x00F6;n und froh vor uns;
auch diese Herzen wallten &#x00FC;ber vor den fernen seeligen
Phantomen, und k&#x00FC;hn frohlokend drangen auch unsere Geister
aufw&#x00E4;rts und durchbrachen die Schranke, und wie sie sich
umsahn, wehe, da war es eine unendliche Leere.</par>
            <par>
O! auf die Knie kann ich mich werfen und meine H&#x00E4;nde ringen und
flehen, ich wei&#x00DF; nicht wen? um andre Gedanken. Aber ich
&#x00FC;berw&#x00E4;ltige sie nicht, die schreiende Wahrheit. Hab' ich
mich nicht zwiefach &#x00FC;berzeugt? Wenn ich hinsehe in's Leben, was
ist das lezte von allem? Nichts. Wenn ich aufsteige im Geiste, was ist
das H&#x00F6;chste von allem? Nichts.</par>
            <par>
Aber stille, mein Herz! Es ist ja deine lezte Kraft, die du ver-
schwendest! deine lezte Kraft? und du, du willst den Himmel
st&#x00FC;rmen? wo sind denn deine hundert Arme, Titan, wo dein Pelion
und Ossa, deine Treppe zu des G&#x00F6;ttervaters Burg hinauf, damit
du hinaufsteigst und den Gott und seinen G&#x00F6;ttertisch und all'
die unsterblichen Gipfel des Olymps herabwirfst und den Sterblichen
predigest: bleibt unten, Kinder des Augenbliks! strebt nicht in diese
H&#x00F6;hen herauf, denn es ist nichts hier oben.</par>
            <par>
Das kannst du lassen, zu sehn, was &#x00FC;ber andere waltet. Dir gilt
deine neue Lehre. &#x00DC;ber dir und vor dir ist es freilich leer und
&#x00F6;de, weil es in dir leer und &#x00F6;d' ist.</par>
            <par>
Freilich, wenn ihr reicher seyd, als ich, ihr andern, k&#x00F6;nntet
ihr doch wohl auch ein wenig helfen.</par>
            <par>
Wenn euer Garten so voll Blumen ist, warum erfreut ihr Othem mich
nicht auch? - Wenn ihr so voll der Gottheit seyd, so reicht sie mir zu
trinken. An Festen darbt ja niemand, auch der &#x00E4;rmste nicht.
Aber Einer nur hat seine Feste unter euch; das ist der Tod.</par>
            <par>
Noth und Angst und Nacht sind eure Herren. Die sondern euch, die
treiben euch mit Schl&#x00E4;gen an einander. Den Hunger nennt ihr
Liebe, und wo ihr nichts mehr seht, da wohnen eure
G&#x00F6;tter. G&#x00F6;tter und Liebe?</par>
            <par>
O die Po&#x00EB;ten haben recht, es ist nichts so klein und wenig,
woran man sich nicht begeistern k&#x00F6;nnte.</par>
            <par>
So dacht' ich. Wie das alles in mich kam, begreif ich noch
nicht.</par>
          </text>
        </chapter>
      </part>
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</opus>